Annika Falk-Claußen: Freunde fürs Leben

Wir kennen Gastfreundschaft, Fanfreundschaft, Völkerfreundschaft, Parteifreunde oder den tierischen Seelenfreund. Doch diese Begriffe definieren „Freundschaft” ganz unterschiedlich. Familie und Freunde sind das Wichtigste im Leben. Aber wie all' unsere Beziehungen verändern sich Freundschaften über die Jahre. Oder auch das Verständnis von dem, was wir als „Freund*in” bezeichnen.

Während meine vierjährige Tochter sofort „Freund*in” zu einem Kind sagt, das wir einen Nachmittag auf dem Spielplatz getroffen haben, merke ich, dass es im Erwachsenenalter nicht mehr so leicht ist, neue Freundschaften zu knüpfen. Wie einfach war das in der Schule, während des Studiums, als ich auf Gleichaltrige und Gleichgesinnte traf.

Warum es im Kinder- und Jugendalter einfacher fällt, neue Freunde zu finden, habe ich deshalb auch meine beiden Interviewpartnerinnen gefragt. Die ehemalige Landesbischöfin Margot K ämann hat sich in einem Buch ganz intensiv mit diversen Aspekten der Freundschaft, sogar einer Theologie der Freundschaft, beschäftigt und erzählt persönlich, was für sie eine gute Freundschaft ausmacht (S. 34). Entwicklungspsychologin Hannah Perst beschreibt indes, wie wichtig die Entwicklungsschritte der Freundschaften vom Kindergarten über die Pubertät bis zum Erwachsenenalter sind und warum „die beste Freundin” dabei eine ganz entscheidende Rolle spielt (S. 38).

Für „Freund” gibt es in der deutschen Sprache viele Synonyme: Die Busenfreundin ist ein etwas angestaubter Begriff, während der „Spezi/Spezl” im süddeutschen Raum und in Österreich weiterhin zum üblichen Wortschatz gehört. Jungs nennen Freunde eher „Kumpel”, da im Deutschen – anders als etwa im Französischen oder Schwedischen – zwischen Freund und Liebespartner nicht direkt unterschieden wird.

Verschiedene Kulturen und Nationen definieren den Freundschaftsbegriff anders. Während in Ländern wie den USA relativ schnell und häufig von „my best friend” gesprochen wird, braucht es in nordeuropäischen Ländern sehr viel mehr Zeit, damit aus einer Bekannten eine Freundin wird. Doch oft halten diese Freundschaften, die eine gewisse Bewährungszeit und vielleicht auch die eine oder andere Krise durchlebt haben, ein Leben lang. Krisen sind für Freundschaften – egal in welchem Alter – wichtig, um zu spüren, auf wen ich wirklich vertrauen und auf wen ich zählen kann, wenn es mal schwieriger wird. Oder um es mit Albert Einsteins Worten zu sagen: „Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie Deines Herzen kennt und sie Dir vorspielt, wenn Du sie vergessen hast.“

Wie wichtig Freundschaften in unserem Leben sind, zeigt auch ein Blick auf Film, Fernsehen, Musik und Literatur:  Über Freundschaften wurden nicht nur zahlreiche Bücher und Songs geschrieben, sondern „Friends” ist auch die erfolgreichste US-Sitcom der Neunziger. Den Song „I'll be there for you” hat jeder im Ohr, der die Serie rund um die Freundschaft zwischen Rachel, Ross, Chandler, Monica, Phoebe und Joey verfolgt hat.

Auch in der Bibel finden sich viele Beschreibungen von Freundschaften. Einige dieser Geschichten haben unsere Redaktionsmitglieder zusammengefasst (S. 24). Wie gesegnet wir sein können, dass Jesus unser Freund ist und was wir von ihm für Freundschaften mit anderen Menschen lernen können, beschreibt Elena Bick (S. 20) in ihrem Beitrag. Oliver Dimbath charakterisiert in seinem Standpunkt (S. 46) Freundschaftsbeziehungen in der kirchlichen Jugendarbeit, die oft durch gemeinsame Werte ein Leben lang halten. Früher waren Brieffreundschaften wichtig für die Menschen.

Heute können wir durch die soziale Vernetzung am Leben unserer Kontakte teilhaben, wie Ulli Naefken seine „Facebook- Freunde” lieber bezeichnet. Auch wenn man im digitalen Raum Freundschaften pflegen könne, sei der gemeinsame Kit für echte Freundschaften für ihn nach wie vor der analoge Kontakt (S. 50). Ich finde die Beschreibung des griechischen Philosophen Aristoteles gelungen: Freundschaft sei „eine Seele in zwei Körpern”. Und es ist wissenschaftlich erwiesen: Wer Freunde hat, lebt länger, wie eine Studie von Psycholog*innen der US-amerikanischen Brigham Young Universit t ergab. Menschen mit stabilen Freundschaften leben gesünder und haben sogar eine um 50 Prozent höhere Lebenserwartung als Personen ohne starkes soziales Netzwerk. Freunde sind einfach unverzichtbar!

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