Annika Falk-Claußen: Hoffnung schenken

Hoffnung ist eine christliche Tugend. In der Philosophie gibt es das „Prinzip Hoffnung”. Hoffnung ist aber auch ein politisches Motiv, das in Zusammenhang mit Barack Obama besonders oft verwendet worden ist. Der Straßenkünstler Shepard Fairey hat ihm im Wahlkampf 2008 mit einem Plakat ein Wahrzeichen gesetzt. Jeder kennt dieses Bild, auf dem Obama den Kopf leicht schief legt, auf der linken Hälfte seines Gesichts ein Schatten und darunter in Blockbuchstaben das Wort HOPE. Er wurde zum Hoffnungsträger Amerikas.

Hoffen kommt vom mittelniederdeutschen „hopen”, was soviel wie hüpfen oder (vor Erwartung unruhig) springen bedeutet. Hoffnung wird aber nicht nur von einer positiven Erwartung begleitet, sondern auch von Angst und der Sorge, dass das Erwünschte nicht eintritt. Floskeln wie „Die Hoffnung stirbt zuletzt” oder Sprachwendungen wie „guter Hoffnung sein” als Synonym für eine Schwangerschaft sind aus der deutschen Sprache nicht wegzudenken.

Und jeder Mensch trägt Hoffnung in sich. Ich habe aktuell die Hoffnung, dass meine Familienangehörigen gesund bleiben, dass wir diese Pandemie besiegen und wieder mehr Normalität in unser Leben tritt. Ich hoffe, dass im Privaten wie Beruflichen wieder mehr persönliche Begegnungen möglich sein werden. Doch bis diese Hoffnungen erfüllt werden, brauche ich viel Geduld. Hoffnung ist in Krisenzeiten wichtig, um mit Zuversicht in die Zukunft blicken zu können. Professor Michael Meyer- Blanck schreibt in seinem Beitrag über christliche Hoffnung: „Die Hoffnung ist ein Energiespender in der Krise.”

Geduld wiederum ist eine Frucht des Heiligen Geistes. Und sie hat auch viel mit diesen Zeiten zu tun. Doch wie lernt man Warten? Und wie geht die Geduld dabei nicht verloren? Wie wir schon in unserem Heft „Höher, schneller, weiter” (bg 3/20) thematisiert haben, war vieles früher etwas langsamer. Vielleicht waren die Menschen auch geduldiger. Die Welt dreht sich heute schneller. Das fängt bei den Medien und der ununterbrochenen Nachrichtenflut an. Der Bundestag trifft eine Entscheidung: War sie sehr wichtig, wurde sie vor 20 Jahren abends in der Tagesschau verkündet. Vieles Weitere lasen die Menschen erst am nächsten Morgen in der Zeitung.

Heute muss es mindestens eine Pressekonferenz direkt nach einer Sitzung geben, wenn es bei öffentlichen Debatten nicht direkt live übertragen wird. Und jede*r Politiker*in muss zu einem neuen Thema direkt eine Meinung haben. Die Geduld, eine Entscheidung zu überdenken und einzuordnen, fehlt häufig. Oder im Sport: Früher hatte man die Geduld, von den Bundesliga- Ergebnissen erst abends in der „Sportschau” zu hören. Heute plingt das Smartphone bei jedem Tor laut auf und man muss gar nicht mehr warten.

Alle Beiträge in diesem Heft versuchen, sich den Themen Hoffnung und Geduld auf ihre Art und Weise zu nähern. Da ist Tobi Wörner, der aufgeschrieben hat, warum er Hoffnung für unsere gute alte Kirche hat. Dorothee Petersen, die skizziert, warum für sie Kirche ein Hoffnungsträger der Offenen Kinder- und Jugendarbeit ist und wie wir alle gemeinsam zu Systemverwandler*innen werden können. Oder Thomas Poreski, der sich als Landtagsageordneter in Baden-Württemberg im Dienst der Hoffnung auf eine bessere Zukunft sieht. Rainer Brandt, der in seinem Beitrag der Frage nachgeht, ob man Geduld lernen kann und was das mit Spiritualität zu tun hat. Tobias Petzoldt, der von der Hoffnung beim Pilgern schreibt, dass der gewählte Pfad der rechte ist – im wahrsten Wort- und im übertragenen Sinn.

Hoffnung für Jugendliche schenken unter anderem Jugendkirchen, in denen sie Kirche und Gemeinde selbst gestalten können. Doch können wir durch solche Projekte den Verlust an jungen Menschen in der Kirche stoppen? Dieser und anderen Fragen ging eine Studie nach, deren Ergebnisse Tobias Fritsche und Karl-Hermann Rechberg skizzieren. Die Hoffnung aufgegeben, den Klimawandel zu schaffen, hat Bernd Wildermuth. Seine Kollegin Mechthild Beltz versucht, ihm im Streitgespräch ihren Keim der Hoffnung einzupflanzen. Und welche Hoffnungen Jugendliche in diesen Zeiten haben, erzählen sie auf einer Doppelseite selbst. Gunda Voigts schreibt darüber, wie wir junge Menschen darin unterstützen können, ihre Hoffnung und ihre Ziele nicht aufzugeben. Und Christian Schroth stellt in seinem Standpunkt klare Forderungen auf, wie sich Rahmenbedingungen verändern müssen, damit Jugendliche und Mitarbeitende in der Jugendarbeit die Hoffnung in dieser Krise nicht verlieren.

Denn eines merkt man dem Heft natürlich an: Es ist das erste, das in Gänze in einer Zeit entstanden ist, in der die Corona-Pandemie unser Land fest im Griff hat. Dem Redaktionsteam war während der Beratungen immer wichtig, den Leser*innen mit diesem „baugerüst” Hoffnung zu schenken. Wir hoffen, es ist

Mehr lesen Sie im bg 1/21