Annika Falk-Claußen: Positives aus der Krise ziehen

Anfang 2020 erreichten uns erste Nachrichten über dieses komische Virus, das in China und Italien aufgetreten ist. Wer hätte sich damals vorstellen können, dass Covid-19 unser Leben in den vergangenen Monaten (und wohl auch den kommenden) so beherrschen wird? Wer hätte sich vorstellen können, wie eine weltweite Pandemie auch die evangelische Jugendarbeit und Kirche stark verändern wird?

In diesem Heft haben wir uns damit beschäftigt, was Krise eigentlich ist (siehe Interview mit dem Krisenforscher Rüdiger Graf ab S. 46), von welchen Krisen die Bibel erzählt, wie Theologie im Laufe der Jahrhunderte in der Krise war, ob das Jugendalter an sich eigentlich schon eine Krise ist und wie Jugendarbeit ganz konkret in dieser aktuellen Krise reagiert hat. Es soll kein reines Krisenheft sein, sondern auch die Chancen herausarbeiten. Marcell Saß schreibt in seinem Artikel (ab S. 34) über die Jugendarbeit als Ort, wo „nicht nur das Herz der Kommunikation des Evangeliums kontextuell präzise schlägt, sondern hier hat es stets Impulse zu Reform und Erneuerung in Krisenzeiten gegeben.” Denn diese Pandemie hat uns gezeigt, dass sich einiges verändern muss – vor allem in Sachen Digitalisierung.

Wir alle wurden gewzungen, unsere Arbeit umzustellen – ein Prozess, der in vielen Bereichen der kirchlichen Arbeit sonst voraussichtlich wesentlich länger gedauert hätte. Also ganz klar: ein positiver Nebeneffekt. Einiges hat auch abseits der Digitalisierung schon lange nicht (mehr) geklappt. Michael Peters fragt in seinem Standpunkt (ab S. 50): „Ist es die Pandemie, die unsere Arbeit ,in die Krise stürzt' oder ist es die Pandemie, die einer Lupe gleich deutlich macht, was auch vorher schon einer Betrachtung wert gewesen wäre, was auch vorher schon im Argen lag, auch vorher schon als kritische Entwicklung von uns gesehen wurde – nur dass wir uns leisten konnten, darüber hinweg zu sehen?” Insofern muss diese Krise auch als Chance gesehen werden, sich von alten Dingen zu trennen und neu entwickelte Formate weiterzuführen.

Man liest und hört in den vergangenen Wochen oft von einem „Restart”, doch diesen Begriff vermeiden meine interviewten Praktiker*innen peinlichst (ab S. 40). Das würde bedeuten, dass das, was in den vergangenen Monaten umgesetzt worden ist, nichts war, sagt Michael Götz, Generalsekretär des CVJM Bayerns. Und das stimmt nicht. Es sind in diesen Pandemiezeiten zahlreiche neue Formate entstanden. Auch die Fortbildungsangebote haben einen neuen Schwerpunkt bekommen, wie Roger Schmidt (ab S. 54) beschreibt. Wann und ob wir wieder Jugendarbeit in der Art erleben werden, wie wir sie alle kennen, ist aktuell noch ungewiss. Doch egal, was die kommenden Wochen und Monate bringen: Es braucht viel Zeit – für jeden Einzelnen. Auch für die Hauptberuflichen, die sich mit voller Kraft in diese neuen Herausforderungen eingebracht haben, von denen viele eine Pause brauchen, ein Luft holen nötig haben. Und natürlich für die Kinder und Jugendlichen, die in den vergangenen Monaten häufig auf ihre Rolle als Schüler*innen, auf Leistung und Abschlüsse reduziert worden sind, deren (weiteren) Bedürfnisse in vielen Diskussionen nicht berücksichtigt worden sind.

Mich hat die Ehrlichkeit der Jugendlichen und Jungen Erwachsenen beeindruckt, die wir gefragt haben, wie es ihnen nach einem Jahr mit der Coronapandemie geht. Sie sind kritisch, aber blicken auch nach vorne. Denn bei allen Einschränkungen und Verboten lässt sich aus den neuen Entwicklungen immer etwas Positives ziehen. So erzählt Ilona Schuhmacher aus der Gremienarbeit in der Evangelischen Jugend in Bayern, dass der Wunsch der jungen Erwachsenen war, die AG-Sitzungen auch künftig im virtuellen Raum abzuhalten. Die Beteiligung sei hier sogar höher, da die Fahrzeiten wegfallen. So hat sich auch das Redaktionsteam des „baugerüsts” entschieden, jede zweite Sitzung künftig als Videokonferenz abzuhalten. Das erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Hannover, Karlsruhe, Augsburg, Darmstadt, Nürnberg, Stuttgart, Erfurt und Josefstal enorm. Wir sparen Arbeitsund Lebenszeit, Reisekosten und die Beteiligung ist höher. Und damit können wir letztlich Euch/Ihnen, liebe Leser*innen, ein hoffentlich noch besseres Heft bieten. Viel Spaß beim Lesen!

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