Annika Falk-Claußen: Viele neu Chancen

Eigentlich sollte der Titel dieser Ausgabe „Re-Start” lauten. Doch im Redaktionsteam waren wir uns schnell einig: Es musste nichts wieder gestartet werden, denn die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen lief auch während der Coronapandemie weiter, sie hat sich nur verändert. Wie diese Veränderungen aussehen und welche Chancen eine Krise bieten kann, wollen wir mit diesem Heft ergründen. Kathinka Hertlein wirft in ihrem einführenden Beitrag einen Blick auf das, was sich bewährt hat, was geblieben und was neu dazu gekommen ist.

Und weil während der ganzen Zeit häufig mehr über, als mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesprochen worden ist, lassen wir zwei Vertreter*innen der „Generation Corona”, wie sie in vielen Medien genannt wird, zu Wort kommen und ihre Sicht auf die Pandemiezeit schildern. Maria Theresia Pabst schreibt, dass sie die meiste Zeit ihrer Jugend im Lockdown verbracht hat und dennoch positiv in die Zukunft blickt. Es ist eine Generation, die in den entscheidenen Jahren ihres Lebens nicht die Chance hatte, neue Erfahrungen zu machen, sich zu entfalten und ganzheitlich Bildung zu genießen, schreibt Bundesstudierendenpfarrerin Corinna Hirschberg und fordert: „Diese Generation sollte von der Kirche besonders wahrgenommen werden, auch vor, neben und nach dem Studium.”

Wir haben zwei Jahre der Veränderungsprozesse hinter uns, aus denen wir viel lernen konnten. Vor allem digitale Angebote sind selbstverständlicher geworden. Daniela Schremser fordert in ihrem Standpunkt, die gesammelten Erfahrungen gut zu reflektieren, um Angebote zu professionalisieren und somit die Schubkraft der Pandemie für die digitale (evangelische) Jugendarbeit zu nutzen. Natalie Karlapp beschreibt, wie sich Gremienarbeit in dieser Zeit verändert hat. Markéta Kaiser berichtet, wie sich die offene Kinder- und Jugendarbeit gewandelt hat. Und Roger Schmidt hat einen Erfahrungsbericht aus dem Studienzentrum Josefstal verfasst, wie sich Fort- und Weiterbildung in der evangelischen Jugendarbeit verändert hat. Sebastian Heilmann gibt uns außerdem einen Überblick über mehrere Studien, die in den vergangenen Monaten zum Thema veröffentlicht worden sind. Er kritisiert: Durch die Generalisierung der Jugend zur „Generation Corona” wird sie letztlich defizitär stigmatisiert.

Viele der Beiträge zeigen die zahlreichen Chancen, die eine Krise mit sich bringt. Neue Formate sind entstanden, unter anderem die „Late Night Church” der Evangelischen Landjugend, die Benedikt Herzog in unserem „forum” vorstellt. Die JuLeiCa wurde zur Onleica, so beschreibt Simon Werner in seinem Beitrag, wie ein Grundlagenprogramm jugendverbandlicher Bildung in digitale Strukturen überführt worden ist.

Hart getroffen hat es hingegen die evangelischen Bildungs- und Tagungshäuser, die lange schließen und um Zuschüsse kämpfen mussten. Matthias Spenn vom Verein „Himmlische Herbergen” macht im „baugerüst”-Gespräch deutlich, wie wichtig diese Häuser für junge Menschen sind – für das individuelle und soziale Lernen in Rückkopplung mit Fragen der Sinnsuche und Partizipation. Und er blickt nach vorne und beschreibt, wie sich die Häuser entwickeln müssen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Spannend waren die Gespräche mit den beiden Sinnfluencern aus verschiedenen Landeskirchen, Theresa Brückner und Steve Kennedy Henkel, denen ich ähnliche Fragen gestellt habe und die beide für sich einen Weg gefunden haben, mit der Präsenz auf Social Media umzugehen. Das beinhaltet dann auch mal ein Gin-Tonic-Agape-Mahl oder den digitalen Segen via Instagram. Und die beiden erreichen Menschen, die mit Kirche sonst nichts mehr am Hut haben. Theresa Brückner wünscht sich deshalb: „Dass es nicht nur um die geht, die noch da sind, sondern auch um die geht, die ringsherum wohnen und zuhören, was die brauchen und sich wünschen.”

Viel Spaß beim Lesen!

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