„Auch ein Segen, der digital gesprochen wird, kann heilsam sein.”

Ein Gespräch mit dem Pfarrer Steve Kennedy Henkel über Instagram-Andachten, Rituale aus der Lebenswirklichkeit der Menschen und seinen Job als „Jesus Headhunter” in Sachen Nachwuchsgewinnung für die bayerische Landeskirche.

baugerüst: Zu Beginn der Coronapandemie hast Du jede Woche eine Andacht bei Instagram eingestellt. Wie waren die Reaktionen darauf?

Steve Kennedy Henkel: Ich hatte meinen Kanal schon länger, habe ihn erst privat genutzt, dann im Vikariat eher darstellend gezeigt, was ich so mache. Als dann der erste totale Lockdown kam, habe ich überlegt, was ich machen könnte. Viele Gemeinden haben das, was sie sonst gemacht haben, einfach abgefilmt. Ich wollte aber etwas passend zu dem Medium machen, also habe ich Insta-Prayers über die Stories erfunden. Die hatten immer die gleiche Struktur: mit einem Eröffnungsbild, einem passenden Popsong, einer biblischen Geschichte, einer Ansprache, Fürbitten, Vaterunser und einem Segen als Videoseqzenz. Gerade das Segenselement war für viele super wichtig. Wir sind sonst ja oft eine eher wortlastige Kirche, aber die meisten Reaktionen – auch viel Seelsorgerisches – kam auf den Segen. Da haben viele Leute geschrieben, dass sie das total berührt hat.

baugerüst: Funktioniert Seelsorge über Social Media?

Henkel: Seelsorge hat immer irgendwie Grenzen, weil man niemandem etwas abnehmen kann. Und bei Instagram kann die Seelsorge nur schriftlich erfolgen, also hat es automatisch Grenzen. Das ist für mich unbefriedigend, weil du in geschriebene Worte nicht so viel Empathie legen kannst. Aber ich habe bemerkt, dass das den meisten ausreicht. Es kam sehr selten vor, dass ich mit den Leuten auch telefoniert habe. Was man zugeben muss: Es ist sehr zeitaufwendig und man muss sehen, wie man sich abgrenzen kann. Denn es war kein dienstlicher Account und wenn einer abends um 23 Uhr eine Nachricht schreibt, muss ich überlegen, ob ich gleich darauf antworte oder am nächsten Morgen.

baugerüst: Hatte man den Eindruck, Menschen zu erreichen, die Kirche sonst gar nicht mehr erreicht?

Henkel: Ja, anfangs war das so. Mittlerweile hat es sich verändert, weil mehr kirchliche Akteure auf Instagram aktiv sind. An Gründonnerstag 2020 habe ich ja das Gin-Tonic-Agape-Mahl gemacht. Da waren viele Leute, die nicht christlich verwurzelt waren. Als ich das vergangenes Jahr nochmal gemacht habe, waren 50 Prozent der Leute Pfarrer, weil es sie interessiert hat. Und weil viel mehr Kirchenakteure gesagt haben, da muss ich was machen. Da habe ich eine Verschiebung festgestellt.

baugerüst: Hat die Coronapandemie die Rolle der Sinnfluencer innerkirchlich gestärkt?

Henkel: Das war ein Trend, der ohnehin schon da war und man merkte, dass es mehr und mehr Leute ernst genommen haben. Aber in dieser Zeit ist vielen bewusst geworden, was digital geht. Auch Gemeinden, von denen man das gar nicht gedacht hätte, schafften es, von der einen auf die andere Woche, einen Youtube-Channel aufzubauen. Vielleicht war es nicht „highest quality”, aber sie haben gemerkt, dass es die Leute erreicht. Vorher wurde oft unterteilt: Das Eine ist „echt” und das Andere ist digital. Das ist eine falsche Aufteilung, denn es ist alles echt, nur sind digitale Angebote nicht analog. Wenn Cybermobbing eine Seele verletzen kann, dann kann auch ein Segen, der digital gesprochen wird, etwas Heilsames sein. Während der Pandemie haben viele gemerkt, dass diese digitalen Angebote Menschen berühren und haben eingesehen, dass es wichtig ist, dass Menschen in den sozialen Netzwerken als kirchliche Akteure erkennbar sind.

baugerüst: Bei Social Media gibst Du auch viel Privates preis. Beruf und Privates scheinen oft ineinander überzugehen. Wie schaffst man es, eine Balance zu finden und auch mal abzuschalten?

Henkel: Einerseits ist es einfach, weil man immer selbst entscheidet, was man reinstellt und was nicht. Andererseits ist es ein Medium, hinter dem eine kapitalistische Logik steckt, das mit dem Algorithmus versucht, dich möglichst lange dort zu halten. Es ist schwer, sich dem zu entziehen. Das klappt mal besser und mal schlechter. Es gibt aber gute Mechanismen: Ich lege mein Handy zum Beispiel nachts nicht neben mein Bett. Wenn ich gut bin, lege ich es schon eine Stunde vor dem Zubettgehen in mein Arbeitszimmer zum Laden. Wenn ich gut bin, geht es erst nach Aufstehen, Sport, Morgengebet und Frühstück wieder an. So dass es nicht das Erste ist, was ich morgens mache.

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Steve Kennedy Henkel, Jahrgang 1988, ist Pfarrer an der Münchner Citykirche St. Lukas und kümmert sich bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) um die Nachwuchsgewinnung für den Pfarrberuf. (www.pfarrer-in-bayern.de). Er hat in Bonn und München Evangelische Theologie studiert, war Jugendsynodaler in der Synode der EKD und Referent des Kirchentagspräsidenten. Bei Instagram findet man ihn unter @rev.stev.

Mit ihm sprach Annika Falk-Claußen.

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