Benjamin Simon: Das Zusammenleben der Völker

Eine biblische Perspektive

Ja, wir Christen sind alle Geschwister im Glauben. Aber… wenn es an die Kulturunterschiede geht bzw. diese in Verbindung mit unserem Glauben gebracht werden, sind wir doch etwas verhaltener was die Geschwisterlichkeit angeht, oder?

In Südafrika gibt es zwei Lutherische Kirchen - die eine mehrheitlich mit Lutheranern schwarzer Hautfarbe und die anderen mehrheitlich mit Lutheranern weißer Hautfarbe - ein durchaus lebendiges Relikt aus Apartheidzeiten. In den USA steht fast in jeder Kirche eine US-amerikanische Flagge neben dem Altar. Hat das nationale Element hier seinen Platz? In Japan feiern die Christen des Kyodan (1) ihre Gottesdienste unter Japanern und die Christen mit Migrationshintergrund feiern in ihren ethnisch definierten Gemeinden (Philippinische Christen, Koreanische Christen usw.). In Deutschland sieht es nicht anders aus… Christen und Christinnen aus aller Welt haben inzwischen in Deutschland ihre Gemeinden etabliert und feiern Sonntag für Sonntag ihre Gottesdienste, meist parallel zu den deutschsprachigen und kulturell deutsch geprägten Gottesdiensten. Wenig Interaktion und ökumenisch interkulturelle Zusammenarbeit ist hier zu verzeichnen. Dabei wollen wir als Landeskirche doch nach wie vor Volkskirche sein – zumindest im Westen der Republik, eine Kirche „für alles Volk“ (Barmen VI). (2) Kulturunterschiede sind eine Herausforderung, aber dürfen sie so dominant sein und federführend, dass christliche Geschwister sich wegen der kulturellen Prägungen nicht zusammen einfinden können, um gemeinsam ihren Gott zu loben, der sie ja schließlich in dieser Vielfalt geschaffen hat?Biblisches ZeugnisWenn wir in die Bibel schauen, werden uns da durchaus andere Bilder des gemeinsam gelebten Glaubens vor Augen geführt.Menschenbild Zunächst sei unsere Aufmerksamkeit auf das biblische Menschenbild gerichtet. In einer der Schöpfungserzählungen (Gen. 1,27) wird berichtet, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Dieses Ebenbild ist aber durch die Schaffung der Geschlechter in Mann und Frau durchaus schon heterogen angelegt.

Aus der biblischen Aussage in Gen 2,18 „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, lässt sich daher schlussfolgern, dass es auch nicht gut ist, wenn der Mensch gleich ist. So wird allen Menschen Würde und zwischenmenschliche Zuwendung (Ex. 22,20) zuerkannt. Dementsprechend orientiert sich bereits in alttestamentlicher Zeit Zuwendung zu anderen Menschen und Anerkennung der Menschen in ihrer Vielfalt nicht an den kulturellen, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeiten, sondern an der universalen Menschenwürde.   Wenn man bedenkt, dass die biblischen Bücher in Zeiten von Familien– und Stammesverbänden entstanden sind (3), die durchaus introvertiert und nach außen abgeschlossen sind, erscheint es umso erstaunlicher, dass bereits im alttestamentlichen Bundesbuch  dieses andere Personen ausschließende System durchbrochen wird (vgl. Ex 22, 20-26); Der Fremdling soll „nicht bedrängt werden“ (Ex. 22,20), den Armen in der Gesellschaft wird Recht geschaffen (Ex. 22, 24), sogar Menschen, die rechtlos sind, werden unter das gültige Recht genommen und genießen dessen Schutz (Ex. 23,12).Jesus nimmt Menschen mit hinein

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