Eine Frage der Definition
„Braucht die Evangelische Jugendarbeit Helden?“ Politisch unkorrekter kann man vermutlich kaum fragen. Spontanes Kopfschütteln wäre vermutlich die häufigste Reaktion. Und wenn die Frage so gestellt würde: „Braucht die Evangelische Jugendarbeit Held*innen?“ Zunächst einmal sind so die drei „m“, die wir schnell dem Helden anheften, erschüttert: männlich, militärisch, martialisch. Genau darum geht es nicht, jedenfalls nicht nur bzw. nicht mehr.
Wer sich mit der Frage „Braucht es Helden?“ auseinandersetzen will, der muss zunächst einmal klären, was ist überhaupt ein Held. Der Duden bietet gleich fünf Definitionen an:
1. In der Mythologie: ein Held ist jemand der sich mit großen und kühnen Taten, besonders im Kampf und Krieg auszeichnet und ein Mann edler Abkunft ist.
2. Jemand, der sich mit einer Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt, eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die Bewunderung einträgt.
3. Jemand der sich durch außergewöhnliche Tapferkeit im Krieg auszeichnet und durch sein Verhalten zum Vorbild wird.
4. Die vierte Bedeutung des Wortes Held wurde in der ehemaligen DDR geprägt. Mancher kennt noch die Helden der Arbeit. Held/Heldin ist jemand der auf seinem Gebiet Hervorragendes, gesellschaftlich Bedeutendes leistet.
5. In der Literatur: die männliche Hauptperson eines literarischen Werks, jeder kennt die Rolle des „Jugendlichen Helden“ in Theaterstücken. Die Herkunft des Wortes Held im Deutschen ist ungeklärt. Das englische Pondon „Hero“ leitet sich aus dem lateinischen Heros ab. Und bei uns ist der Heros als Herore selbständig noch ein Begriff.
Was ist also ein Held?
Wikipedia bietet die allgemeinste und umfassendste Antwort an: „Ein Held (althochdeutsch helido) ist eine Person, die eine Heldentat, also eine besondere, außeralltägliche Leistung begeht.“ So schnell werden wir, selbst wenn wir es wollten, „die Helden“ nicht los.
Die Fragen lauten daher: Welche Helden wollen wir und welche Helden brauchen wir? Dabei steht der literarische Heldenbegriff als fachliche Wendung und terminus technicus natürlich außerhalb der Diskussion. Der militärische Held ist mindestens in seiner deutschen Ausprägung diskreditiert. Es wurden nie zuvor so viele einfache Soldaten zu Helden stilisiert wie gerade in der Weltkriegsepoche des vergangenen Jahrhunderts. Nie zuvor wurden so viele Orden verliehen und nie zuvor den Hinterbliebenen so oft versichert, dass der Gefallene einen „Heldentod“ gestorben sei. Der Begriff des Helden wurde von den Machthabern missbraucht. Er wurde so offenkundig und systematisch missbraucht, dass man nach 1945 – zumindest in Westdeutschland – von Helden zunächst einmal nichts mehr wissen wollte. Und: Wir brauchen keine militärischen Helden, weil alles Sinnen und Trachten der gesellschaftlichen und politischen Arbeit dem Frieden dient. Das ist gesellschaftlicher Konsens.
Aber brauchen wir die anderen Helden, diejenigen, die sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellen und eine außergewöhnliche Tat vollbringen, die Bewunderung einträgt. Mit der Bewunderung geht ja noch eine wesentliche Funktion des Helden einher: die des Vorbildes. Helden sind Vorbilder. Helden sollen Vorbilder sein. Und natürlich ist damit auch die Frage verbunden: Müssen alle (Männer) Helden sein? Ein Sujet im amerikanischen Spielfilm ist der brave und biedere Familienvater, der angesichts einer herausfordernden Situation zum Helden mutiert. James Stewart hat diesem Sujet das unverwechselbare Gesicht gegeben, gutmütig und zuweilen leicht verträumt. Aber das ist nur die Hülle, denn die Botschaft lautet: Jeder taugt zum Helden und in jedem steckt ein Held. Diese Geschichten gehen meist so. Da ist eine normale amerikanische Familie, Eigenheim, zwei bis drei Kinder, die Frau ist Mutter und Hausfrau, wie das in den 50er Jahren so üblich war. Dann bricht plötzlich das Böse in diese idyllische Welt hinein. Gangster auf der Flucht stehen plötzlich in der Haustür oder ein unbarmherziger Immobilienmakler macht sich unbarmherzig eine Stadt untertan. Der brave, biedere Familienvater entwickelt sich daraufhin zum Helden und rettet seine Familie. Damit gehen natürlich auch Rollenfixierungen einher: die Frau ist Hausfrau, Mutter und mit der Situation überfordert, der Mann stellt sich überlegt und kontrolliert der Herausforderung und tut alles, um Frau und Kinder zu bewahren und wenn es sein muss den ganzen Ort gleich mit.
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