Christian Peitz: Helden, Stars und Vorbilder

Wer Held ist, ist eine Frage des Standpunkts

Gibt man das Wort Held bei Google ein, werden weit über eine Milliarde Treffer angezeigt. Dabei sind die Zusammenhänge, in denen der Begriff verwendet wird, sehr unterschiedlich. Von der besonderen sportlichen Leistung über Rettungstaten im Alltag bis hin zu fiktiven Helden, die auf der Kinoleinwand, zwischen Buchdeckeln oder andernorts ihre großen Taten vollbringen. Ob jemand als Held bezeichnet wird, hängt dabei von unterschiedlichen Faktoren ab. Er oder sie muss eine besondere Leistung in einer schwierigen Situation vollbracht haben, die von den Betrachtern als heldenwürdig eingestuft wird. Das führt auch schon zum Problem des Heldenbegriffs, denn der Held wird im Wesentlichen vom Umfeld gemacht und ist nicht per se einer humanistischen Grundhaltung verpflichtet.

In radikalen Gruppierungen werden durchaus auch Gewalttäter und Terroristen zu Helden stilisiert. In unserem Kulturkreis jedoch herrscht im Wesentlichen eine andere Konvention des Heldenbegriffs. Der Held hat sich bedingungslos für das Gute einzusetzen, was nach dem Verständnis der sogenannten westlichen Welt bedeutet, dass er die auf Frieden und Menschenwürde basierende Sozialordnung achten muss. Dabei fällt auf, dass nicht nur James Bond und Spiderman auf der Kinoleinwand Regeln und Normen verletzen, um letztlich doch wieder für Frieden zu sorgen. Auch Edward Snowden zum Beispiel musste Regeln verletzen, um ein Held zu werden. Dies führte den Tagesspiegel am 12. Juli 2013 zu der Überschrift „Ist Edward Snowden ein Held oder ein Verräter?“(1) Zusammenfassend lässt sich dennoch festhalten, dass der Heldbegriff vor allem mit dem Kampf für das Gute verknüpft wird, das jedoch nicht festgeschrieben, sondern vom sozialen Kontext abhängig ist.


Das Bedürfnis nach Helden

Der Mensch indes scheint ein Bedürfnis nach Helden zu haben, denn jeder Kulturkreis hat welche hervorgebracht. Alte Märchen und Mythen erzählen von ihnen genauso wie moderne Kinofilme oder Computerspiele. Die Sehnsucht nach Helden weist hierbei auch keine Altersbeschränkung auf. In Kindheit und Jugend jedoch gibt es eine besondere Empfänglichkeit für Heldenfiguren. Dass dies so ist, kann auf eine relativ einfache Ursache zurückgeführt werden: Das Kind orientiert sich zu Beginn seines Lebens sehr stark an den Eltern. Sie sind quasi die ersten Helden für das Kind. Es erweitert aber ganz langsam immer mehr seinen Horizont, bis es beginnt über den Tellerrand der Familie hinauszublicken. Neben die Eltern stellen sich nun die Heldenfiguren. Der Psychologe Erik Erikson rechnet sie der sich weitenden Sozialordnung in der Welt des Kindes zu. Im Spielalter, das wir als Kindergartenalter bezeichnen würden, suchen die Kinder ideale Leitbilder (2).

Sie finden diese Leitbilder in Form von Helden in Büchern und im Fernsehen, und sie übertragen sie in ihr Spiel. Dabei sind neben die Rollenklassiker Ritter und Cowboys auch zunehmend Figuren aus Comics und Mangas getreten. Verbindend jedoch ist, dass die Helden in diesem Entwicklungsalter noch keine komplexen Kämpfe zu kämpfen haben. Es genügt, einen bösen Drachen zu besiegen oder einen Räuber dingfest zu machen. Gut und Böse stehen in sehr klarer Ordnung. Und dennoch haben die Helden auch die Funktion, die Alltagsbezogenheit der Eltern zu ergänzen. Die hervorstechendsten Eigenschaften der Helden sind Mut und Stärke. Damit entsprechen sie einer kindlichen Sehnsucht, denn die Kinder spüren unterbewusst, dass sie für die zunehmende Ablösung von den Eltern eben diese Eigenschaft benötigen. Auch im Schulalter spielen Helden eine Rolle. Psychosozial, so beschreibt es Erikson, kämpfen die Kinder gegen ein Minderwertigkeitsgefühl an. In der Identifikation mit Helden kann dieser Kampf leichter fallen.

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Weiterlesen im Heft 4/16