Eva-Maria Reinwald: Menschenwürde in einer globalisierten Welt

Wie kann Weltwirtschaft gerechter werden?

Wirtschaft soll dem Menschen dienen, soll zu einem Leben in Würde beitragen, soll Arbeit fair entlohnen und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen. Mit dieser Überzeugung engagieren sich Menschen weltweit für gerechtere und menschenwürdigere Wirtschaftsbeziehungen – oft auch aus ihrer Glaubensmotivation heraus.
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass z.B. Beschäftige, die unsere Kleidung oder Schuhe produzieren, von ihrem Einkommen ihre Familie ernähren können, dass ihre Gesundheit am Arbeitsplatz geschützt wird und sie sich ohne Angst gewerkschaftlich organisieren können. Oder dass für den Ab- und Anbau von Rohstoffen Menschen nicht von ihrem Land vertrieben oder durch Umweltzerstörung ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Zahlreiche Berichte aus Fabriken, Minen oder Plantagen weltweit jedoch belegen das Gegenteil: Menschenrechtsverletzungen sind keine Ausnahme sondern haben System unter den Bedingungen des harten Wettbewerbs unserer globalisierten Wirtschaft.
Im Folgenden ein Beispiel aus der Textil- und Bekleidungsindustrie aus den Recherchen des SÜDWIND-Instituts für Ökonomie und Ökumene.

Harte Arbeit für weiche Fasern

Unzählige Menschen rund um den Globus wirken mit an der Fertigung von Kleidung für den Weltmarkt. Während die Bekleidungsindustrie durch Auslagerung der arbeitsintensiven Prozesse in Länder mit niedrigen Umwelt- und Sozialstandards ihre Gewinne steigert, bleiben die Rechte der Beschäftigten meist auf der Strecke. Mit rasch wechselnden Kollektionen und engen Zeit- und Preisvorgaben üben Markenunternehmen Druck auf ihre Zulieferer aus, den diese an ihre Beschäftigen und vorgelagerte Zulieferer weitergeben. Missstände sind dabei nicht nur bei den NäherInnen der Kleidung zu finden, sondern in der gesamten Lieferkette:
Gemeinsam mit einer indischen Partnerorganisation nahm SÜDWIND z.B. die Arbeitsbedingungen in den Entkernungsfabriken im indischen Bundesstaat Gujarat, einer zentralen Anbauregion für Baumwolle, in den Blick: Bevor geerntete Baumwolle weiter verarbeitet werden kann, muss diese in Maschinen entkernt werden. Die Entkernungsfabriken produzieren nur wenige Monate im Jahr. Die SaisonarbeiterInnen, die zum Teil aus weit entfernten Bundesstaaten kommen, haben keinen schriftlichen Vertrag und wohnen zu mehreren Personen in bescheidenen Räumen. Die anstrengende Arbeit führen sie in der Regel in 12-Stunden-Schichten aus und verdienen dabei weniger als der gesetzliche Mindestlohn vorschreibt. Ruhetage sind nicht die Regel und werden auch nicht bezahlt. Es mangelt zudem an Maßnahmen zur Sicherheit am Arbeitsplatz und am Zugang zu Toiletten, so dass ArbeiterInnen ihre Notdurft im Freien verrichten müssen. Für die weichen Fasern unserer Kleidung leisten die Beschäftigten harte Arbeit, während ihre Rechte mit Füßen getreten werden. 
 

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Weiterlesen im Heft 3/17