Florian Eutebach: Gemeinsam die Welt "fair"ändern - Ein aufsuchendes Bildungsangebot

Die Schülerstreiks der „Fridays for Future“-Bewegung tragen aktuell das Thema Nachhaltigkeit in die breite Öffentlichkeit. Das aufsuchende Bildungsangebot „werde WELTfairÄNDERER“ besucht schon seit 2010 weiterführende und berufsbildende Schulen in Süddeutschland. Unter dem Motto „Das Wenige, das du tun kannst, ist viel“ (Schweitzer 1919) möchten die WELTfairÄNDERER Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für das wichtige Thema der Schöpfungsbewahrung und der sozialen Gerechtigkeit in ihrer eigenen Lebenswelt sensibilisieren und Zugangswege aufzeigen, selbst aktiv zu werden. So ermutigt das bisher mehrmals, unter anderem von der UNESCO ausgezeichnete Bildungsangebot Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unmittelbar in ihrer eigenen Lebenswelt gestalterisch aktiv zu werden und „nicht nur zu hören und zu reden, sondern auch zu handeln“ und somit selbst zum WELTfairÄNDERER zu werden. Das Angebot, welches von kirchlichen Jugendämtern und Diözesanverbänden des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend; als Dachverband seiner Mitgliedsverbände und ihrer regionalen Zusammenschlüsse vertritt der BDKJ die Interessen von ca. 660.000 Mitglieder im Alter zwischen sieben und 28 Jahren in Kirche, Politik und Gesellschaft) getragen wird, konnte schon über 40.000 Schüler*innen an mehr als 50 Schulen erreichen. 

In Workshops, mobilen Ausstellungen und Unterrichtseinheiten werden dabei die verschiedenen Aspekte der Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE) passgenau auf die jeweilige Altersgruppe zugeschnitten und prozessorientiert am jeweiligen Wissensstand der Schüler*innen ausgerichtet, spielerisch, erlebnis- und erfahrungsorientiert vermittelt. So können z. B. Schüler*innen als Umweltdetektive auf die Spurensuche in ihrer eigenen Schule gehen und Energie- und Ressourcenverschwendung in ihrem direkten Umfeld aufdecken. 

Durch vielfältige Kooperationsübungen wird das Thema des sozialen und fairen Umgangs miteinander direkt in der eigenen Klasse thematisiert und für die Schüler*innen erfahrbar gemacht. Dass die Themen soziale Fairness und Gerechtigkeit nicht an der Tür der eigenen Klasse haltmachen, wird unter anderem in einem Workshop zum Thema Schokolade deutlich. Anhand der Produktionskette von Schokolade zeigen die WELTfairÄNDERER auf, dass der günstige Preis für eine Tafel Schokolade im Supermarkt zur Folge haben kann, dass Kinder von Kakao-Bauern in den Anbaugebieten nicht zur Schule gehen können, da ihre Eltern nicht gerecht an dem Verkaufserlös beteiligt werden und diese somit zum Familienunterhalt schon in jungen Jahren mit beitragen müssen. Hier zeigt sich für die Schüler*innen, dass sie selbst durch ihr Einkaufsverhalten eine wirtschaftliche Marktmacht haben und durch den Konsum von z.B. fairen Produkten einen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit im Alltäglichen leisten können.

Fragestellungen rund um den Themenkomplex Nachhaltigkeit stellen nicht erst seit den „Fridays for Future“-Demonstrationen von Schüler*innen eine zentrale Herausforderung unserer heutigen Zeit dar, werden aber von diesen aktuell ins kollektive Bewusstsein geholt. Vor über 30 Jahren haben sich die Vereinten Nationen im „Brundtland-Bericht“ von 1987 (WCED 1987) mit Themen nachhaltiger Entwicklung befasst. Schon damals wurden diese als zentrale Aufgabe beschrieben, welche alle derzeitigen und zukünftigen Generationen in der Verantwortung sieht, nachhaltig ökologisch und sozial zu handeln, damit den nachfolgenden Generationen weiterhin ein selbstbestimmtes Leben auf unserem Planeten Erde ermöglicht wird. 

Unter anderem durch die von Papst Franziskus im Jahr 2015 verfassten Enzyklika „Laudato si – Über die Sorge um das gemeinsame Haus“ (Franziskus 2015) ist das Thema der Nachhaltigkeit auch im katholischen Kontext (wieder) aktuell. Papst Franziskus widmet sich der Frage, wie es möglich sein kann, so zu leben, dass es den Menschen und der gesamten Schöpfung gut geht und behandelt Themen des Umwelt- und Klimaschutzes. Dabei betont er, dass die ökologische Frage eine Gerechtigkeitsfrage ist und daher der Zugang zu Ressourcen zu einer ethischen Frage des 21. Jahrhunderts wird. Er schreibt: „Wir kommen heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde“ (Franziskus 2015, LS 49). Für diese Bewahrung der Schöpfung und der Herstellung von sozialer Gerechtigkeit steht das Bildungsangebot „Werde WELTfairÄNDERER“.

Zusammen sind wir stark und können etwas fairändern

Das Besondere an der Bildungsarbeit der WELTfairÄNDERER ist dabei nicht nur, die Problemlagen unserer Welt aufzuzeigen, sondern auch zusammen mit den Schüler*innen exemplarisch konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten, die sie in ihren Alltag integrieren können. Durch einen lebensweltlichen und personenorientierten Ansatz werden die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ihren Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt gestellt, so dass die Teilnehmer*innen Handlungsoptionen entwickeln können, die sich dann im Alltag auf der individuellen Subjektebene auch wirklich mit wenig Aufwand umsetzen lassen. Dabei wird verdeutlicht, dass zwar jeder persönlich gefordert ist, etwas zu verändern, aber nicht dabei allein sein muss. Da die WELTfairÄNDERER mit ihrem Bildungsangebot für jeweils eine ganze Aktionswoche an einer Schule gastieren, können sich die Teilnehmer*innen als einen Teil der ganzen Schulgemeinschaft erleben, die sich zusammen den Herausforderungen der Schöpfungsbewahrung und sozialen Gerechtigkeit widmen. 


Vernetzung als Schlüssel für einen nachhaltigen Erfolg

Die Aktionswoche an einer Schule versteht sich darüber hinaus bewusst als Impulsgeber und Initiator, um das Thema Nachhaltigkeit in die Lebenswelten der Schüler*innen und Lehrer*innen zu tragen. Um die Auseinandersetzung mit den Themen auch nach der Aktionswoche im Bewusstsein zu halten und somit nachhaltig zu wirken, setzt das Bildungs-
angebot bewusst auf die Vernetzung der lokalen Akteure vor Ort, damit diese die Möglichkeit haben nach der Aktionswoche eigenständig weiter zu arbeiten. 
Das Bildungsangebot versteht sich daher neben der inhaltlichen Bildungsarbeit auch als Initiator für die Vernetzung von schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit auf der lokalen Ebene. Die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen des Bildungsangebots stehen den lokalen Akteuren und den Schulen hier beratend zur Seite. 

 
Kirchliche Jugendarbeit und Schule


Die Vernetzung von außerschulischer und schulischer Bildungsarbeit stellt, neben der direkten Bildungsarbeit mit den Schüler*innen für die WELTfairÄNDERER durchführenden Diözesen, einen Mehrwert an sich dar. Denn die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. So haben gesellschaftliche und politische Prozesse dazu geführt, dass Schule als Lebens- und Erfahrungsraum stärker im Leben junger Menschen präsent ist. 
Durch die Zentrierung auf den Lebensraum Schule wird diese als formale Bildungseinrichtung mit Aufgaben konfrontiert, die zuvor stärker im familiären Umfeld und in der non-formalen Bildung ihren Platz hatten. Durch eine Kooperation mit Akteuren der außerschulischen Jugend(verbands)arbeit und Jugendbildung kann Schule für den Bereich der non-formalen Bildung von den Stärken und Zugangswegen dieser profitieren, die sie aus systemimmanenten Gründen selbst häufig nur schwer leisten kann. 
Aus der Kooperation erwächst nicht nur für Schule als Bildungsinstitution ein Vorteil, sondern auch die non-formale Jugendbildung kann über und mit Schule den Kindern und Jugendlichen in ihre veränderten Lebenswirklichkeiten folgen und holt sie in diesen ab. Dabei ergibt sich der positive Effekt, dass auch Kinder und Jugendliche in Schule erreicht werden können, die zuvor in der klassischen Jugend(verbands)arbeit und Jugendbildung mit seinen eigenen systemischen Bedingungen keinen Zugangsweg finden konnten. So zeigt die Sinus-Jugendstudie 2012 (Calmbach u.a. 2012) für die kirchliche Jugend(verbands)arbeit in Deutschland deutlich auf, dass in der Regel vorrangig nur bildungsnahe Kinder und Jugendliche in der eigenen Arbeit erreicht werden und nach der Sinus-Jugendstudie 2016 (Calmbach u.a. 2016) findet eine Deinstitutionalisierugn von Glauben statt. Eine kirchliche Jugend(verbands)arbeit, die jedoch grundsätzlich für alle Kinder und Jugendliche offen stehen will, muss daher neue Zugangswege zu denen finden, die sie noch nicht oder nicht mehr erreicht. Jugendarbeit und Schule können sich dabei gegenseitig mit ihren Stärken und unterschiedlichen Bildungsansätzen bereichern.

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Foto: elenabsl/Adobe Stock