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Stellt man die fünf entscheidenden friedensethischen Paradigmen einander gegenüber, die zum Teil seit dem Altertum existieren, so kann man sie näherungsweise durch einfache Formeln wiedergeben, die im Folgenden dann weiter erklärt und ausdifferenziert werden sollen:
(1) Bellizismus: Kriege müssen sein!
Der Krieg ist das „höchste Gut“. Denn die Welt besteht aus Völkern, die sich feindselig gegenüberstehen. Die Feinde aber müssen besiegt werden. Menschen sollten daher danach streben, sich im Krieg zu bewähren. Kriegerisches „Heldentum“ ist vorbildlich. (Aber können Christen und Christinnen überhaupt so denken? Oder ist das vom Prinzip der Nächsten- und Feindesliebe her ausgeschlossen?)
(2) Heiliger Krieg: Kriege müssen dann sein, wenn Gott selbst es befiehlt!
Krieg muss sein, wenn Gott es so will. Dann müssen Christenmenschen bereit sein, Krieg zu führen. Das einzige Kriterium dabei ist der Wille Gottes. (Aber will Gott Kriege? Kann er sie wirklich wollen, wenn er doch in seinem Wesen Liebe ist? Wer kann wissen oder sich anmaßen zu wissen, dass Gott einen Krieg will?)
(3) Radikaler Pazifismus: Kriege dürfen nicht sein – niemals!
Krieg darf unter keinen Umständen sein, da er immer gegen Gottes Willen verstößt. Christenmenschen ist es nicht erlaubt, Gewalt anzuwenden und sich an Kriegführung zu beteili- gen. Nicht einmal im Verteidigungsfall! (Aber können Christinnen und Christen zulassen, dass andere Menschen, Menschengruppen oder ganze Völker vernichtet und ausgerottet werden? Gibt es wirklich kein Recht, sich selbst oder andere Menschen gegen Angreifende zu verteidigen?)
(4) Gerechter Krieg: Kriege dürfen nur unter ganz bestimmten Bedingungen geführt werden!
Krieg darf nur dann geführt werden, wenn ganz bestimmte Kriterien erfüllt sind (wie das Vorliegen eines gerechten Grunds, die Kriegsführung durch eine legitime Autorität oder die Absicht, dadurch Frieden zu stiften). Die Kriterien müssen streng geprüft werden. Wenn sie – etwa im Falle eines Verteidigungskriegs – erfüllt sind, ist Kriegführung (auch nach Gottes Willen) erlaubt. Dann handelt es sich um einen „gerechten Krieg“. (Aber weiß man im Zweifelsfall wirklich immer, welches die Sachlage und wer zum Beispiel der Angreifende ist? Und kann selbst ein Verteidigungskrieg „gerecht“ sein, wenn dabei unschuldige Menschen auf beiden Seiten ums Leben kommen – etwa Kinder?)
(5) Gerechter Friede: Kriege sollen nicht sein – alles Handeln soll darauf abzielen, Frieden und Gerechtigkeit miteinander zu verbinden.
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Christenmenschen sollten konsequent vom Frieden her denken und von ihm her und auf ihn hin handeln. Das kann nur gelingen, wenn in Friedensprozessen Recht (im Sinne einer internationalen Rechts- ordnung) und Gerechtigkeit (im Sinne von möglichst globaler sozialer Gerechtigkeit und Teilhabechancen) mit den Bemühungen um Gewaltvermeidung und militärischer Abrüstung verbunden sind. In Einzelfällen kann die Anwendung militärischer Gewalt unvermeidlich sein – diese Fälle müssen aber im Licht strengster Kriterien geprüft werden. (Aber ist das nicht zu naiv gedacht, wenn doch die Rechtsordnung nicht stark genug ist, um den Frieden zu sichern und auch die Gewährleistung sozialer Gerechtigkeit den Frieden nicht garantieren kann?)
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Lesen Sie den gesamten Text zur Friedensethik von Eberhard Pausch in der aktuellen Ausgabe des baugerüsts.