Interview mit Michael Domsgen: Konfirmation: Junge Menschen prüfen, was Kirche ihnen bedeutet

Ein Gespräch mit Michael Domsgen, Professor für Religionspädagogik, über die Motivation, sich konfirmieren zu lassen, über einen Perspektivwechsel bei der Konfirmandenprüfung und über das, was Kirche neu zu lernen hat.

"Junge Menschen prüfen, was Kirche ihnen bedeutet”

Ein Gespräch mit Michael Domsgen, Professor für Religionspädagogik, über die Motivation, sich konfirmieren zu lassen, über einen Perspektivwechsel bei der Konfirmandenprüfung und über das, was Kirche neu zu lernen hat.

baugerüst: 20.000 Jugendliche lassen sich im Jahr in Deutschland konfirmieren. Welche Bedeutung hat die Konfirmation für Jugendliche?

Domsgen: Diejenigen, die sich konfirmieren lassen, beurteilen dies auch positiv. Das wissen wir aus den bundesweiten Studien zur Konfirmandenarbeit. Für die, die nicht kirchlich sozialisiert wurden, hat die Konfirmation kaum oder gar keine persönliche Bedeutung. Die allermeisten von ihnen, wir reden hier von ungefähr 40 Prozent der Jugendlichen, nehmen an keinem öffentlichen Übergangsritual teil.

baugerüst: Was verbinden Jugendliche, die sich konfirmieren lassen mit diesem kirchlichen Angebot?

Domsgen: Die Konfirmation agiert ja im Fahrwasser familiärer Sozialisation und hat hierfür auch eine grundlegende Bedeutung. Wo diese Prägungen nicht vorhanden sind, hat es die Konfirmation sehr schwer. Die Konfirmation und die Konfirmandenarbeit entsprechen mehrheitlich den Erwartungen der Eltern, die dies gerne für ihre Kinder haben wollen und den Jugendlichen, die daran teilnehmen.
Mehrheitlich ist dieses Angebot positiv besetzt. Gleichzeitig gibt es alarmierende Befunde. Über ein Drittel der Befragten gab an, sie würden sich am liebsten ohne die vorherige Konfi-Arbeit konfirmieren lassen.

baugerüst: Die Konfirmation war früher eine Passage zum Übergang ins Erwachsenenalter. Hat dieser Passageritus noch eine Bedeutung?

Domsgen: Diese Passage in das Erwachsenenleben gibt es ja heute so nicht mehr. Die Feier ist das Entscheidende. Die Konfirmation ist ein Fest, das zum großen Teil familiär bestimmt ist. Wir könnten hier von einer Ritualisierung einer intergenerationalen Praxis sprechen. Wenn man so ein Fest gern haben möchte, nimmt man auch in Kauf, sich vorher eineinhalb Jahre irgendwie in der Vorbereitung abzumühen.

baugerüst: Sind die Familienfeiern auch der Grund, warum viele Jugendliche gerade in Ostdeutschland die Angebote der religiösen Jugendfeiern annehmen?

Domsgen: Das denke ich schon. Obwohl es diese Passage zum Erwachsenwerden so nicht mehr gibt, wird der Übergang von der Kindheit in die Jugend als ein feierwürdiger Anlass gesehen. Das gilt eben nicht nur im Hinblick auf die Konfirmation, sondern, speziell im Osten, auch für die Jugendweihe, an der immer noch 30-40 Prozent eines Jahrgangs teilnehmen. Auch auf die religiösen Jugendfeiern trifft das zu. Eine große Mehrheit hat verinnerlicht: Wenn man 14 ist, feiert man etwas, so wie das die eigenen Eltern auch schon getan haben.

baugerüst: In der Vorbereitung auf die Jugendweihe beschäftigen sich Jugendliche mit Themen des Erwachsenenwerdens.

Domsgen: Ja. Dahinter steht auch, ich werde jetzt ein mündiger Mensch. Für die Konfirmation lässt sich Vergleichbares sagen. Allerdings kommt es nicht immer so stark zum Ausdruck, weil hier neben dem Jugendlichen auch die Kirche mit in den Blick kommt, die als Institution auch eigene Interessen hat. Die Jugendlichen kommen zwar mit ihrer Lebensgeschichte und ihren Interessen vor, sollen aber eben auch kirchlich sozialisiert werden.

baugerüst: Die Konfirmandenzeit ist immer noch geprägt von einer kerngemeindlichen, parochialen Logik.

Domsgen: Zwei Aspekte spielen hier eine Rolle. Innerkirchlich wird kommuniziert, die Jugendlichen bekennen sich mit der Konfirmation zu ihrem Glauben, in den sie getauft wurden. Jetzt sind sie Teil der christlichen Gemeinde. Der andere Schwerpunkt liegt in der Begleitung ihrer Lebensgeschichte. Es kann durchaus beides miteinander vermittelt werden, dazu ist aber ein bestimmtes Bild von Kirche und Gemeinde notwendig.

baugerüst: Welche Bedeutung hat der Segen, der bei der Konfirmation zugesprochen wird für Jugendliche?

Domsgen: Segen heißt, etwas im Namen Gottes gutzuheißen. Es heißt Kraft zu spenden für den weiteren Weg. Das hat eine große Bedeutung und ist ein Pfund, mit dem Kirche wuchern kann. In den Studien sagen die Jugendlichen zuerst, die Konfirmation sei ein Familienfest und dann, ganz knapp noch vor den Geschenken, dies sei ein Segensfest. Also 80 Prozent Zustimmung für das Familienfest, 68 Prozent für den Segen und 64 Prozent für die Geschenke.

baugerüst: Das ist ein hoher Wert für den Segen.

Domsgen: Das stimmt. Voraussetzung dafür ist, dass der Segen individuell ausgerichtet ist. In den – ich sage mal – Gruppensegnungen besteht die Gefahr, dass das nicht klar genug zum Ausdruck kommt. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer beachten das. Sie sagen dem Einzelnen vor dem Segen noch einmal persönliche Worte, erzählen, wie er oder sie ihn kennengelernt hat, nehmen auf, was sich der Jugendliche für sich selber wünscht. In einer solchen Einbettung kann der Segen seine Bedeutung gut entfalten. Die persönliche Zuwendung ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

baugerüst: Die Kirche und die Gemeinden haben auch ein Interesse an der Konfirmation.

Domsgen: Ja, das ist so. Eine Kirche, die ihre Kinder tauft, muss sich Gedanken machen, wie den Heranwachsenden der Glaube vermittelt wird, wie er ihnen wichtig werden kann.

baugerüst: .... damit die Jugendlichen bekräftigen, wir bleiben dabei, was durch unsere Taufe vorgezeichnet wurde.

Domsgen: Das auch, aber wichtig ist doch, dass sich hier eine Kommunikationsmöglichkeit mit einer großen Zahl von Jugendlichen auftut, die sich sonst so nicht ergeben würde. Darin sehe ich die ganz große Bedeutung.

baugerüst: Auch für die Gemeinden?

Domsgen: Auf alle Fälle. Durch die Konfirmationsgottesdienste kann oft  die ganz andere Lebenswirklichkeit der Jugendlichen in den Blick genommen werden. Das ist eine große Bereicherung. Henning Luther hat einmal gesagt: Konfirmation ist Konfirmandenprüfung. Er meinte das in dem Sinne, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden prüfen, ob die Kirche ihnen etwas Relevantes für ihr Leben mitzugeben hat.

baugerüst: Dieser Gedanke dreht die Perspektive um.

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Weiterlesen in Heft 3/18