Johanna Haberer: Die Kommunikation steht Kopf

Zwischen Heilsversprechen und Untergangsszenarien

Der Facebook Mitbegründer Sean Parker sagte Ende des Jahres 2017auf einer Veranstaltung der Webseite Axios über sein ehemaliges Unternehmen: Er könne die Social-Media-Nutzung mittlerweile nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren. Bei Facebook sei die Überlegung immer gewesen, wie es die Menschen dazu bringen könne, der Seite möglichst viel ihrer Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen: „Das heißt, wir müssen den Menschen ab und zu einen kleinen Dopaminschub geben, das passiert, wenn jemand Sachen von dir liked oder ein Foto kommentiert. Es ist ein Feedback Loop, der auf dem Drang der Menschen nach sozialer Bestätigung basiert. (...) Wir haben eine Schwachstelle in der Psychologie der Menschen ausgenutzt. Die Erfinder, also ich und Mark (Zuckerberg) und Kevin Systrom (Instagram) wussten das. Und wir haben es trotzdem gemacht.“ (1)

Damals – so sagt er weiter - sei allerdings noch nicht absehbar gewesen, wie groß der Einfluss eines Netzwerks von zwei Milliarden Menschen auf die Gesellschaft sein würde. Parker geht davon aus, dass Facebook inzwischen die Beziehungen zwischen Gesellschaft und den Menschen und den Menschen untereinander beeinflusst. Und zwar zum Negativen. Digitale Medien oder besser Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verbinden Menschen zwischen allen Kontinenten, lassen die Zwischenräume schrumpfen – global und personal.

Sie verändern unseren Alltag allmählich, durchdringen unser Alltagsleben unser gesamtes Informations- und Kommunikationsverhalten. Sie sind unwiderstehlich, weil sie in ihrer Anwendung unglaublich wirkmächtig sind. Sie machen abhängig durch diese unabweisbare Geschwindigkeit und Effektivität. Es gelingt uns durch sie blitzschnell an Informationen zu kommen, für die wir früher Tage, Wochen und Monate brauchten. Unser Informations- und Wissensmanagement hat sich total verändert:  das Denken, das vormals in die Tiefe ging, bleibt an der Oberfläche und geht sozusagen in die Breite. Die neuen Technologien haben auch neue Machtzentren hervorgebracht, die nicht nur unsere Daten sammeln und uns bestimmten Konsumententypen zuordnen, sondern die inzwischen auch in der Lage sind, uns zu manipulieren, unsere politischen Systeme zu unterwandern und maßgeblich die Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen. Die neuen Technologien entgrenzen unsere menschliche Existenz.Entgrenzung und Selbstoptimierung

Mit dieser Technologie können Menschen ihr „Ich“ bis ins Unendliche erweitern oder dehnen, mit der Folge, dass ihre Begrenzungen wie auch ihre unterschiedlichen Rollen in der Welt zusammenfließen. In der digitalen Welt ist es schwer, dienstlich und privat, Arbeit und Familie zu trennen. Grenzen, die die Leibhaftigkeit vorgab – am Arbeitsplatz oder auf dem Spielplatz – spielen nun keine Rolle mehr. Wir sind für alle immer und in jeder Situation erreichbar, ortbar, ansprechbar.Wird uns diese Technologie zu einer Entwertung des Körpers führen oder im Gegenteil, wird sie uns zu einer Bewegung der körperlichen und mentalen Selbstoptimierung führen?

Immer neue digitale Selbstüberwachungsmöglichkeiten können Schlafphasen und Kalorien, Schritte und Arbeitszeiten dokumentieren und dem Einzelnen so Ziele zur Selbstoptimierung anbieten. Im Augenblick beginnen auch schon die ersten Kunden einer Versicherung ihre Fitnessdaten – gegen einen kleinen Rabatt auf die Versicherungsprämie – anzubieten. Die Selbstoptimierung, die unter der persönlichen Navigation stand, mündet dann in einen Selbstoptimierungszwang durch interessierte Unternehmen, die sich perspektivisch umgekehrt dann vorbehalten im Krankheitsfalle Zahlungen zu abzulehnen, wenn die entsprechenden Daten nicht vorliegen.Unser Umgang mit dieser neuen Technologie vollzieht sich also in einer Dialektik der Entgrenzung einerseits und der zunehmenden Kontrolle und Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten andererseits.Beschleunigung

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