Marcell Saß: Kirche gestalten im Kontext der Verknüpfung von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit

Die Fülle von Materialien (1) dokumentiert: In der intensiven Vernetzung von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit wird eine produktive Antwort auf kirchliche Marginalisierungsprozesse unter jungen Menschen gesehen. (2) Grundsätzlich scheinen sowohl Jugendarbeit als auch Konfirmandenzeit davon zu profitieren. Methoden der Jugendarbeit bereichern die Konfirmandenzeit, kirchliche Bindungen junger Menschen werden so gestärkt. Gleichwohl trifft diese enge Kooperationen nicht bei allen Beteiligten auf uneingeschränkte Zustimmung. Spannungen betreffen hier vor allem das evangelische Kirchenverständnis und daraus unmittelbar folgend die Frage einer Neuformatierung kirchlicher Berufstheorien.


Jugendarbeit und Konfirmandenzeit - im Spannungsfeld von
Institution und Bewegung


Auf Seiten der Jugendarbeit wird häufig, eher institutionenkritisch, das Prinzip der Freiwilligkeit gegenüber der „Zwangsveranstaltung“ Konfirmandenzeit betont und Vereinnahmungstendenzen befürchtet. Das erklärt sich auch historisch aus der Genese der Jugendarbeit, deren wesentliche Schwerpunkte im Horizont sozialdiakonischer Bemühungen, (politischer) Impulse der Studenten- bzw. Jugendbewegungen sowie pietistisch-erweckungsbewegter Anregungen ausgeprägt und oftmals im Gegenüber zur verfassten Kirche gestaltet wurden. (3) Dieses Selbst-Bewusstsein eines Gegenübers zur Institution Kirche prägt bis heute organisatorische Struktur und individuellen Habitus vieler in der Jugendarbeit Engagierter. Die Verknüpfung von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit reagiert nun auf die auch für die Jugendarbeit unübersehbaren Transformationsprozesse im Zeitalter von Globalisierung, Individualisierung und Digitalisierung. Es ist offenkundig, dass mancherlei überkommene Formen Evang. Jugendarbeit seit den späten 1960er Jahren in einer spätmodernen Gesellschaft an ihre Grenzen geraten. Gleichwohl bleibt ein tendenziell emanzipatorischer Diskurs bedeutsam für potentielle Verknüpfungen der evangelischen Jugendarbeit mit der Konfirmandenzeit. Perspektivisch bedarf es daher auch einer Reflexion der diese Bereiche bestimmenden Diskurse mitsamt ihren jeweiligen Ausschließungspraktiken und Steuerungsmechanismen. (4)

Die Konfirmandenzeit unterliegt nun nach wie vor einer hohen binnenkirchlichen Erwartung, was die erwünschten Formen der Partizipation an kirchengemeindlichen Angeboten nach der Konfirmation betrifft, anders formuliert: Konfirmandenzeit folgt, ungeachtet aller Reformversuche seit den 1960er Jahren, weitgehend einer kerngemeindlichen, parochialen Logik. Diese Logik ist nach wie vor stark am agendarischen Sonntagsgottesdienst ausgerichtet und zudem klar pastoral zentriert.

Dass nun offene, die Parochie überschreitende Formen der Jugendarbeit hierzu in Spannung stehen, ist offenkundig. Damit stellt sich am Ort der Verknüpfung von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit paradigmatisch eine kirchentheoretisch wichtige Frage, nämlich die der zukunftsfähigen Gestaltung und Organisation der evangelischen Kirche im Spannungsfeld von „Organisation, Institution, Interaktion und Inszenierung“ (5).

Empirische Studien zur Konfirmandenzeit (6) zeigen deutlich eine Ambivalenz zwischen dem organisationssoziologisch nachvollziehbaren Wunsch der Reproduktion der Institution durch die Konfirmandenzeit und der gleichzeitigen Hoffnung auf nachhaltige Erfahrungen sowie die Förderung individueller Spiritualität junger Menschen. (7) Vereinfacht gesagt dominiert nach wie vor ein eher kirchlich-institutioneller Diskurs die Konfirmandenzeit, während die Jugendarbeit zumindest in ihrem Selbstverständnis sich dazu eher abgrenzend verhält.

Durch die in den letzten gut zehn Jahren forcierte Verzahnung der beiden Arbeitsbereiche sind nun zwei über lange Zeiträume unabhängige Bereiche kirchlicher Praxis sukzessive transformiert worden, ohne jedoch – soweit ich sehe – die darin liegenden diskursiven Mechanismen intensiv zu reflektieren.

Die Beteiligung der Jugendarbeit hat den pfarramtlich zentrierten, vornehmlich katechetisch orientierten Konfirmanden-Unterricht zumindest in Ansätzen zu einer die Lebenslagen junger Menschen wahrnehmenden Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden verändert. Gleichzeitig ist damit auch ein Wandel von Grundüberzeugungen evangelischer Jugendarbeiterinnen und -arbeiter gefordert; das wird von manchen durchaus als schmerzlich erlebt, verbunden mit der Frage, wer hier gewinnt, wer verliert. Es geht dabei nicht nur um die Frage, wie Evangelische Jugendarbeit ihr eigenes Profil schärfen könnte. In den skizzierten Diskursen begegnen Ausschließungspraktiken, die den Blick auf die grundlegende, gemeinsam zu bearbeitende Frage nach der zukünftigen Gestalt der evangelischen Kirche bisweilen verstellen können.

Selbstverständlich liegen in einer Vernetzung beider Arbeitsbereiche große Chancen. Partizipationsmöglichkeiten zu eröffnen oder das Engagement junger Menschen durch die Übertragung von Verantwortung zu fördern sind wichtig. Denn eine exklusive Orientierung der Jugendarbeit etwa an sozial-politischen oder diakonischen Paradigmen ist vermutlich kaum mehr plausibel.

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Weiterlesen in Heft 3/18