Marcell Saß: Vernetzt - und nun?

Überlegungen zur professionalisierten Kooperation von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit

„Ohne eine enge Verknüpfung der Konfirmandenzeit mit der Jugendarbeit ... wird sich der Marginalisierungsprozess von Kirche unter Jugendlichen nicht aufhalten lassen.“(1) Was vor fast einem Jahrzehnt gefordert wurde, scheint mittlerweile „vollbracht“. Vielerorts sind Projektstellen eingerichtet, ebenso ist eine Fülle von Materialien entstanden.(2) Die folgenden Überlegungen sollen dazu anregen, auf die Entwicklungen der vergangenen Dekade und die aus der Kooperation beider Handlungsfelder resultierenden Herausforderungen zu blicken. Insbesondere die Frage der Professionalisierung in beiden Handlungsfeldern kirchlicher Praxis rückt dabei in den Fokus. Beschlossen werden die Ausführungen mit einem knappen Fazit, das die Frage zukünftiger theologischer Ausbildung in unterschiedlichen Kontexten thematisiert.

Vernetzt – oder: „Es ist vollbracht!?“

Wer gegenwärtig Materialsammlungen, einschlägige (kirchliche) Publikationen, empirische Studien und wissenschaftliche Beiträge sichtet, gewinnt den Eindruck, dass „Jugendarbeit und Konfirmandenarbeit“ nunmehr „Gut verknüpft“(3) sind. Beide Arbeitsbereiche profitieren voneinander, stärken kirchliche Bindung vor allem durch das Engagement von Jugendlichen als „Teamerinnen und Teamer“ und profilieren sowohl die Neuordnung der Konfirmandenzeit als auch die der evangelischen Jugendarbeit.(4) Gleichwohl: Offenbar bleibt noch manches zu tun: „In der Kooperation zwischen Konfirmandenarbeit und Jugendarbeit liegen noch zu wenig genutzte Chancen“, diagnostiziert etwa der Rat der EKD in seinen 12 Thesen zur Konfirmandenarbeit aus dem Jahr 2012.(5) Und empirische Studien(6) bestätigen, dass es vielerorts wohl eher punktuelle Kontakte im Kontext von Freizeiten oder Camps bzw. der Schulung von Teamerinnen und Teamern gibt. Deutlich ist jedoch: Die Zukunft der Konfirmandenzeit und der Jugendarbeit liegt in ihrer engen Kooperation.
Diese Diagnose ist um so beachtlicher, als dass damit zwei über lange Zeiträume unabhängige Bereiche kirchlicher Praxis mit ihren je spezifischen Eigenheiten stetig transformiert wurden. Die seit Ende der 1960er Jahre vollzogene Wandlung eines pfarramtlich zentrierten, vornehmlich katechetisch orientierten Konfirmanden-Unterrichtes hin zu einer auch pädagogisch fundierten und die Lebenslagen der jungen Menschen wahrnehmenden Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden markiert dabei die eine Seite des Transformationsprozesses.

Auf der anderen Seite beginnen (nicht erst) seit den 1970er Jahren Konzepte evangelischer Jugendarbeit durch gesellschaftliche Veränderungen wie Globalisierung, Traditionsabbrüche, Digitalisierung, (religiöse) Pluralität oder den demographischen Wandel der deutschen Gesellschaft zunehmend brüchig zu werden.(7) Dabei sind durchaus auch historisch gewachsene Strukturen tangiert, wie etwa die Bedeutung und Eigenständigkeit evangelischer Jugendverbände im gegenüber zu ortsgemeindlicher oder regional organisierter Evang. Jugend, übrigens auch durch finanzielle Einsparungen.

Von daher verwundert es wenig, dass es gerade auf Seiten der Mitarbeitenden in der Jugendarbeit nicht nur zu Begeisterungsstürmen führt, wenn Aussagen zur Zukunft der Jugendarbeit wesentlich im Umfeld der Kooperation mit der Konfirmandenzeit begegnen, anders und zugespitzt gefragt: wer gewinnt hier, wer verliert möglicherweise? Letztlich geht es dabei um die Frage, ob und wie Evangelische Jugendarbeit über die Vernetzung mit der Konfirmandenzeit hinaus ihr eigenes Profil schärfen und weiterentwickeln kann. Jugendkirchen oder die intensive Freizeitarbeit der Evang. Jugend sind (nur) zwei Beispiele für solche Bemühungen.

Ohne Zweifel, das sei nachdrücklich unterstrichen, liegen in einer Vernetzung beider Arbeitsbereiche große Chancen für die Zukunftsfähigkeit der evangelischen Kirche. Partizipationsmöglichkeiten zu eröffnen, zivilgesellschaftliches Engagement junger Menschen durch die Übertragung von Verantwortung in der Konfirmandenzeit zu fördern und konzeptionell kirchliches Handeln zu entwickeln – all das ist wichtig. Ebenso gibt es in Deutschland lokal sehr unterschiedliche Situationen zu bedenken, etwa, was die Reichweite der sog. „Jungschararbeit“(8) betrifft, die Möglichkeiten, die die Kinderkirche bietet oder aber die Herausforderungen, vor die konfessionslose Kontexte stellen. Und dass eine exklusive Orientierung der Jugendarbeit an sozial-politischen oder diakonischen Paradigmen gegenwartskulturell und anders als noch vor 50 Jahren nicht als der „Königsweg“ bezeichnet werden kann, ist offenkundig.(9) Mehr noch als solche Konzeptions- und Profilfragen rückt aber gegenwärtig eine Herausforderung in den Mittelpunkt, die mit dem vielfältig diskutierten Leitbild der „Professionalisierung“ einhergeht. Einfacher gefragt: welche Professionalisierung brauchen diejenigen, die Jugendarbeit und Konfirmandenzeit gestalten (sollen). Unabhängig von Konzeptionsfragen gilt es dann zu bestimmen, was solch „professionalisiertes Handeln“ in Jugendarbeit, Konfirmandenzeit und deren Kooperation kennzeichnet. Angesichts der Transformationsprozesse, die beide Arbeitsbereiche in den letzten Jahren durchlaufen haben, scheint mir dies ein wichtiges Diagnoseinstrument zu sein, über Chancen und Herausforderungen einer Vernetzung von Konfirmandenzeit und Jugendarbeit nachzudenken.

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