Notwendige Widersprüche im Jugendverband
Eine biblische Perspektive
Wer zur evangelischen Jugend geht (egal aus welchem Grund), begibt sich in die Gefilde eines Jugendverbandes – dies ist zumindest die reine Lehre der Jugendverbandsdogmatik.
Dieser Sachverhalt ist allerdings den meisten der Beteiligten nicht klar: Jugendliche gehen halt in ihre Gruppe und verstehen sich dabei als Gruppenmitglieder, sie arbeiten an einem Projekt mit, sie besuchen eine Ferienfreizeit oder nehmen an Angeboten der Jugendkirche teil. Genau diese unmittelbaren Bezugsgruppen und Erfahrungsfelder bilden ihre Identifikationshaftpunkte, hier konstituiert sich ihre Zugehörigkeit. Ein Selbstbewusstsein bzw. Selbstverständnis als „Verbandsmitglieder“ entwickeln sie dabei zunächst kaum. Die allermeisten Jugendlichen wissen es noch nicht einmal, dass sie Mitglieder eines Jugendverbandes sind oder zumindest dazu erklärt werden. Das ist auch nachvollziehbar: Diese Verbandlichkeit ist zumeist völlig abstrakt und viel zu weit weg. Die Mitarbeitenden sind oft schon froh, wenn die jungen Menschen über den Horizont ihrer unmittelbaren Bezugsgruppe hinaus sich wenigstens ihrer Kirchengemeinde (damit auch der Evangelischen Kirche) und der „Evangelischen Jugend“ zugehörig fühlen. Allerdings besitzen die Mitarbeitenden selber oft auch keine verbandliche Identität und kaum Wissen über jugendverbandliche Inhalte und Strukturen. Das ist – sofern dies Hauptberufliche betrifft – durchaus fragwürdig und bedeutet auch eine Anfrage an die Ausbildung.
Es gibt Ausnahmen:
Einerseits die bisweilen bewunderten, gelegentlich auch unfairerweise belächelten „Gremienjugendlichen“. Sie exekutieren sozusagen stellvertretend für alle anderen bestimmte organisatorische und inhaltliche Vollzüge des jugendverbandlichen Wesens ihrer Jugendarbeit. Dies kostet allerdings eine Menge Energie und Ressourcen.
Andererseits gibt es auch im Bereich der Evangelischen Jugend historisch gewachsene Verbände mit klassischen Verbandsstrukturen: die oft so genannten „Verbände eigener Prägung“ (wie das hilfsweise aber wohl notwendige Unwort heißt und solch unterschiedliche Verbandskulturen wie CVJM, EC, VCP unter ein begriffliches Dach zwingt und eine „Säule“ der aej aus ihnen macht). In diesen Verbänden existieren hohe Verbandsidentitäten der Jugendlichen, die oft hergestellt werden durch den expliziten und bewussten Eintritt in den Verband, durch konturierte Mitgliedschaften mit Mitgliedsausweisen und Mitgliedsbeiträgen sowie Verbandsinsignien (Kluft) etc.
Insgesamt aber herrscht eine große Diastase zwischen dem jugendverbandlichen Selbstanspruch auf bestimmten Ebenen und dem geringen jugendverbandlichen Selbstverständnis in der Breite evangelischer Jugendarbeit.
Das Wesen eines Jugendverbandes
Jugendverbände sind (angeblich) Gebilde der Selbstorganisation von jungen Menschen. Inhaltlich sind sie, bei aller Heterogenität, auf jeden Fall „Orte der sozialen und kulturellen Bildung, Foren der Auseinandersetzung mit Sinn- und Wertefragen, aber auch Räume der Begegnung und Geselligkeit“ (1).
Sie sind im Regelfall inhaltsbezogen und binden sich an bestimmte, wenn auch jeweils unterschiedliche Wertvorstellungen.Sie sind einerseits fach- und sachbezogen (z.B. Sportverbände, Naturverbände, Rettungsbünde, Karnevalsjugend), andererseits weltanschaulich orientiert. Weltanschaulich orientierte Jugendverbände sind inhaltlich ihrerseits entweder politisch-gewerkschaftlich oder konfessionell verortet (2).
Jugendverbände sind somit eine bestimmte Organisationsform der Jugendarbeit mit einer definierten inhaltlich-strukturellen Aufladung, die im Rahmen gesellschaftlicher Konstellationen historisch gewachsen ist. Diese inhaltliche Aufladung wird in der Regel an Kriterien bzw. Prinzipien für Jugendverbandlichkeit gemessen.
Zur Bestimmung dessen, was einen Jugendverband ausmacht (und was demzufolge eine Jugendarbeit zum Jugendverband macht), wird zumeist eine Reihe von Kriterien/Merkmalen angeführt.
......