Nikola Poitzmann: Kommunikation von Mensch zu Mensch

Gewaltfreie Kommunikation als Türöffner in der Jugendarbeit

Jeder Mensch hat aus seiner Sicht seine guten Gründe, dass er so reagiert, wie er im Moment reagiert, lautet die Annahme von Vertretern des Konstruktivismus. Marshall B. Rosenberg, Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (1), führt diese These sogar noch weiter, denn er ist davon überzeugt, dass jede menschliche Handlung ein Versuch sei, eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Im ersten Moment klingt diese Annahme einleuchtend. Doch dann denke ich an meine Gruppe geflüchteter Jugendlicher, die ich gerade betreue und die zu jedem Start eines neuen Programmpunkts zehn bis zwanzig Minuten zu spät kommen. Das ärgert mich, weil mir Zuverlässigkeit und Struktur wichtig sind. Ich nehme mir vor, beim nächsten Treffen diesen Punkt mit den Jugendlichen noch mal anzusprechen und herauszufinden, welche Motivationen dahinterstecken.


Eine „Schandtat“ aus der Jugend

Wer zurück an seine eigene Jugendzeit denkt, dem fällt es sicher leichter, die Beweggründe hinter dem eigenen nicht immer regelkonformen Verhalten zu erkennen. Ich erinnere mich an einen lauen Sommerabend im Frühjahr 1995. Ich war 16, sehr verliebt und wollte mit meinem neuen Freund auf eine Party gehen. Da ich am nächsten Tag früh Schule hatte, verboten mir meine Eltern den Ausgang. Ich war wütend und fest entschlossen, dieses Verbot nicht zu akzeptieren. Also tat ich so, als ob ich schliefe, machte mich dann klammheimlich fertig für den Abend und plante, über den Balkon nach draußen zu klettern, wo mein Freund bereits mit seinem Auto wartete. Doch der Ausstieg endete so, dass ich beim Überklettern der Balustrade einen Blumenkasten mitriss, der lautstark auf der Terrasse aufschlug und meine Eltern samt Nachbarn weckte. Mein Freund fuhr ohne mich auf eine legendäre Party, über die noch wochenlang gesprochen wurde.

Ich war wütend auf meine Eltern, sie auf mich und die Folge waren zwei Wochen Hausarrest. Unsere Beziehung war wochenlang gestört. Meine Eltern hielten mich für einen pubertierenden Teenager, der sich an keine Regeln halten konnte; ich fühlte mich missverstanden und in meiner Freiheit und Autonomie beraubt. Dadurch dass keine*r der Beteiligten mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen verbunden war und wir uns nicht ineinander einfühlen konnten, führte der Konflikt zu einer noch angespannteren Beziehung, die erst langsam wieder gekittet werden konnte.


Grundlagen der GFK

Doch nicht nur Eltern, auch Menschen in pädagogischen Berufen neigen bei Konflikten mit Kindern und Jugendlichen zu Strafen und Maßnahmen „ohne Diskussion“ oder dazu, mit den ihnen anvertrauten jungen Menschen über Schuld und Unrecht zu diskutieren.
GFK hingegen versucht, die destruktive Spirale von direkten oder impliziten Vorwürfen und Schuldzuweisungen durch ein strukturiertes Vier-Schritte-Modell zu durchbrechen und damit eine Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen, die dann wieder Verbindung zulässt. Gefühle und Bedürfnisse (2) hinter Handlungen und Reaktionen erkennen zu können, kommt eine zentrale Rolle zu.

Das Vier-Schritte-Modell der GFK:
1. Wahrnehmung: Eine konkrete Handlung wird beschrieben, ohne zu werten oder zu interpretieren.
2. Gefühle: Das Gefühl, das mit der Wahrnehmung in Verbindung steht, wird formuliert.
3. Bedürfnis: Das hinter dem Gefühl stehende Bedürfnis wird ausgedrückt.
4. Bitte oder Frage: Eine Bitte um eine konkrete Handlung oder eine Frage wird geäußert.

Marshall Rosenberg entwickelte die GFK – auch oft Wertschätzende Kommunikation genannt – in den 60er Jahren zu Zeiten der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Als Schüler Carl Rogers entwickelte er die Konzepte der Gesprächsführung in der Humanistischen Psychologie (Aktives Zuhören und das Mitteilen von Ich-Botschaften) um die Perspektive der Bedürfnisorientierung weiter. Beeinflusst wurde er zudem von Thomas Gordon und Mahatma Ghandi.

Macht mit statt Macht über Menschen

.....

Hier können Sie das bg 2/18 bestellen. ​​​​​​​