Stefan Adams: "Stell dir vor..." Anleitung von Fantasiereisen in der Jugendarbeit

Definition

Fantasiereisen sind in der Jugendarbeit inzwischen eine etablierte und beliebte Methode. Sie kommen in Gruppenstunden, auf Freizeiten, in Gottesdiensten, Sitzungen, auf Tagungen und Seminaren zum Einsatz. Sie werden aber auch in der Bildungsarbeit, in der Schule, im Sport und in der Therapie eingesetzt. Mit Wurzeln in verschiedenen Entspannungsmethoden wie „Autogenes Training” oder „Progressive Muskelentspannung”, bereichert und vermischt mit Elementen verschiedenen psychologisch-therapeutischen und pädagogischen Strömungen, entwickelte sich in den vergangenen 20 Jahren daraus diese moderne Form der Meditation.

Aufbau und Rahmenbedingungen

Klassisch besteht eine Fantasiereise aus drei Phasen: Entspannungsphase, Hauptteil und Rückholphase. In der Entspannungsphase, die zeitlich etwa ein Drittel der gesamten Übung in Anspruch nimmt, geht es darum, den Körper in einen Ruhe- und Erholungszustand zu versetzen, der dem Schlaf sehr ähnlich ist. Mit Metaphern, Formeln und bildhaften Ritualen wird auch der Verstand und das Denken „entspannt” und somit die Aufmerksamkeit gesteigert. Im Hauptteil geht es darum, innere Bilder zu erzeugen, die dem Ziel der Fantasiereise entsprechen und die an den Lebenswelten und Erfahrungen der Teilnehmer*innen orientiert sind. Sprachlich sind kurze Sätze, Pausen und Formulierungen hilfreich, die Bilder erzeugen und Gedanken leiten, aber genügend Raum für Interpretation lassen und nicht einengend wirken.Wer selbst eine Fantasiereise anleitet, erlebt sie innerlich mit und fühlt sich ein. Stimme und Sprechrhythmus passen sich dem eigenen Erleben an und mit ein wenig Übung fällt es auch leichter, die Zeit für nötige Pausen gut einschätzen zu können. Ein kleiner, aber hilfreicher Trick kann es sein, während der Anleitung eine Aufnahme mitlaufen zu lassen, die man sich später zur Reflexion anhört. Auch die Feedbacks der Teilnehmer*innen sind gute Quellen für eine Optimierung von Stimme, Pausen und Sprechrhythmus. Ist die Fantasiereise beendet, gelangen die Teilnehmer durch die Rückholphase gedanklich wieder in die Wirklichkeit und „wachen auf”. Hier können Bilder und Metaphern aus der Entspannungsphase wieder aufgegriffen werden.

Teilnehmer*innen werden angeregt, durch Bewegungen wie strecken, dehnen oder gähnen aus dem Entspannungszustand in die Aktivität zurück zu kehren. Eine Fantasiereise kann eine Wirkung wie ein kurzer Mittagsschlaf oder ein „Power- Napping” haben. Konzentration und Energie können dadurch wieder gesteigert werden.Bewährt hat es sich, Fantasiereisen im Liegen und mit geschlossenen Augen durchzuführen. Ist das nicht möglich, ist Sitzen die zweitbeste Wahl. Raum oder Umgebung sollten möglichst ruhig sein. Umgebungsgeräusche können in der Entspannungsphase benannt und „ausgeblendet” werden, oder z.B. Naturgeräusche in die Reise integriert werden.Nachdem jede*r Teilnehmer*in seine Reise in seiner eigenen Welt erlebt, kann eine Reise mit nur einem oder mit ganz vielen Teilnehmern durchgeführt werden.

Entspannungsmusik kann hilfreich sein, gut in einen Entspannungszustand zu gelangen, sie ist aber nicht zwingend nötig. Wird Musik eingesetzt, sollte mit der Lautstärke sehr sensibel umgegangen werden. Lautstärke kann leicht als störend wahrgenommen werden. Ob als Anleitung eine CD/ Audio-Datei mit der fertigen Fantasiereise eingesetzt wird, ob die Reise aus einem Buch abgelesen oder frei formuliert wird, ist Geschmackssache und eine Frage der Sicherheit des Anleiters. Teilnehmer*innen sollten freiwillig an einer Fantasiereise teilnehmen. Nur wer bereit ist, sich auf die Methode einzulassen, kann davon profitieren. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die zum ersten Mal eine Fantasiereise machen, kann die neue Methode, das ungewohnte Setting zu Verunsicherung führen, die sich in Unruhe, Störungen und Lachen äußert.

Sätze wie „Gerade in Situationen, in denen man ruhig sein soll, muss man manchmal lachen. Deshalb lachen wir uns jetzt alle einmal aus” helfen, diese Situationen zu meistern. Das „nicht gewünschte” Verhalten wird erlaubt, normalisiert und verliert damit seinen Reiz. Die Unsicherheit, die entstehen kann, wenn man sich auf eine neue Methode einlässt, kann dadurch genommen werden, dass im Vorfeld sehr genau erklärt wird, wie die Methode abläuft und was dabei „passieren” kann.Vorsicht ist geboten, wenn  bekannt ist, dass Teilnehmer*innen an Phobien oder psychischen Krankheiten leiden, ein Trauma erlebt haben oder sich in emotional instabilen Zustand befinden. Hier sollte die Methode nicht eingesetzt werden. Sehr selten kommt es vor, dass Teilnehmer*innen emotional von Bildern und Erinnerungen so stark berührt werden, dass sie weinen. Hier sollte der Anleiter sensibel reagieren, behutsam ansprechen und gegebenenfalls trösten.Fantasiereisen sind nahezu universell einsetzbar und können auch ohne großen Aufwand spontan eingesetzt werden. Texte gibt es in Buchform, als Datei oder können frei formuliert werden. 

...............

Bestellen Sie das bg 4/19 hier.

 

 

Foto: Siphotography/iStock by Getty