Steffen Jung: Wie kommuniziert Gott?

Zur Theologie des Heiligen Geistes

Wie kommuniziert Gott? Eine interessante Frage, die sich mir, so muss ich gestehen, in dieser Form und Zuspitzung lange nicht stellte. In der Regel sprechen wir, Theologinnen und Theologen, in diesem Zusammenhang über religiöse Erfahrungen von Menschen und schließen induktiv auf die Kommunikation Gottes zurück. In den Blick kommen Erfahrungen vielfältiger Art, die von Menschen als religiös gedeutet werden. Theologisch gilt der Satz: Von Gott reden heißt vom Menschen reden.
Jetzt lautet die Frage an mich, „wie kommuniziert Gott?“, umgekehrt also, ich mache mich auf die Suche nach Antworten.
Auf den ersten Blick erscheint die Antwort recht einfach. Gott kommuniziert auf vielfältige Art und Weise mit Menschen in weiten Teilen der Welt. Weltweit zeigt sich ein Boom der Religionen. Die Weltreligionen wachsen mit der Weltbevölkerung. Grenzt man die Fragestellung auf den nordatlantischen Raum ein und bezieht sich auf Gesellschaften, für die die philosophische Aufklärung von weltdeutender Bedeutung ist, zeigt sich ein differenzierteres Bild. Die Religionen verlieren an Deutungskraft. Postmoderne Theoretiker sprechen von dem Ende der großen Erzählungen.
Philosophisch feiern Konzepte eines naiven Realismus – verbunden mit einfachen religionskritischen  Einlassungen – ihre Wiedergeburt. So diagnostiziert der Naturwissenschaftler Richard Dawkins im Rahmen seines rein naturalistischen Denkens bei religiösen Menschen einen „Gotteswahn“. Der Philosoph Peter Sloterdijk hält Religionen für Trainingssysteme mit dem Ziel der Immunisierung des in Vertikalspannung versetzten Menschen. Die westliche Welt lebt „Nach Gott“ stellt er zeitdiagnostisch fest.
Doch nicht alle lassen sich auf diese Reduktionen ein.


Ich suche nach Menschen mit denen Gott kommuniziert

Zuerst begegnet mir Hartmut Rosa, der gegenwärtig meist diskutierte deutsche Soziologe. Hartmut Rosa ist Resonanzforscher. Ich erinnere mich an seinen Vortrag beim Kirchentag 2017 in Berlin, Gethsemanekirche. Rosa erzählte sinngemäß folgende Geschichte. „Ich hatte ein wichtiges Problem zu lösen, eine biografische Entscheidung zu treffen. Im Gebet wandte ich mich an Gott und bat um einen Hinweis Gottes zur Lösung meines Problems. Aber ich bekam in den darauf folgenden Tagen kein Zeichen Gottes. Zuerst war ich enttäuscht, aber dann dachte ich; Gott nimmt mein Problem sehr ernst und er nimmt sich Zeit für eine Antwort. So wartete ich Tage und Wochen. Die Frage blieb, Gottes Antwort blieb aus. Er kommunizierte einfach nicht. Oder doch? Die Lösung entdeckte ich später. Gott antwortet nicht, weil er mich unendlich ernst nimmt. Er erwartet von mir, dass ich dieses Problem selbst löse. Gott hat mich als freien Menschen erschaffen. Meine Freiheit ist ihm wichtig.“

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meinem Vater. Ein Freund hatte ihn angerufen und dringend gebeten, mit mir zu sprechen. Der ältere Mann klagte über Visionen. Gott erscheine ihm täglich und spreche zu ihm. Vor allem abends vernehme er die Stimme Gottes deutlich. Gott kommuniziere mit ihm und das mache ihm Angst. Er brauche den Rat eines Pfarrers.
Ich empfehle ein Gespräch mit dem Ortspfarrer. Dieser empfahl schließlich einen Psychiater. Wie kommuniziert Gott?

Lara steht der Kirche und vor allem der Evangelischen Jugend sehr nahe. Sie ist Schülerin unserer Schule. Im Religionsunterricht sprechen wir über das Thema Gebet. Lara sagt: „Ich bete täglich. Manchmal denke ich, die Kommunikation ist einseitig und ich führe Selbstgespräche. Aber das Gebet tut mir gut.“
Im Vorstellungsgottesdienst der Konfirmandinnen und Konfirmanden unserer Gemeinde formuliert ein Teenager: „Gott gibt mir jeden Tag ein Stück Schokolade.“
Weitere Gespräche zeigen trotz philosophischer Unkenrufe: Menschen erfahren Gottes Ansprache auf unterschiedliche Weise, z.B. im Gebet, im Nachdenken, im Traum, durch Heilige Schriften, durch andere Menschen, durch Rituale, durch Natur, u.a.m.. Somit ist diese Ansprache letztlich immer etwas Subjektives, das anderen nur bedingt vermittelt werden kann. Wir sind in der Postmoderne angekommen. Diese markiert einen Paradigmenwechsel.

In der Theologie ging es über Jahrhunderte gerade nicht um subjektive religiöse Erfahrungen sondern um Konzepte und Theorien. Im christlichen Bereich in Deutschland unterschieden sich katholische Theologie, lutherische Theologie und reformierte Theologie. Die Theorieinhalte wurden von Theologen aus der Bibel und der Tradition entwickelt und von Kirchenleitungen in Katechismen zusammengefasst. So sollten Glaubende lernen, wie Gott mit ihnen oder mit Vertretern der Tradition kommuniziert hat. Sie sollten verstehen, wie ihre Religion als einzig wahre Weltdeutung aus der Kommunikation Gottes entsteht und in ihr den Wahrheitsgehalt findet. Gott wurde religiös normiert. Leonardo Boff, ein katholischer Theologe, schrieb: „Jahrhunderte hindurch war die Theologie argumentativ. Sie richtete sich an den Verstand der Menschen und wollte sie von der religiösen Wahrheit überzeugen.... Dabei vergaß man, dass religiöse Wahrheit niemals abstrakte Formel und Ausdruck eines logischen Gedankenschlusses ist. Zunächst und grundlegend ist sie gelebte Erfahrung: Der Mensch begegnet dem letztgültigen Sinn.“ (1) Aber in der Moderne waren die Religionen „Große Erzählungen“, die die Wahrheit verbürgten. Sie waren Deutungsmuster für jede Kommunikation, auch für die Kommunikation Gottes.


Gott der Allmächtige?


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