Ulrich Deinet: Sozialräumliche Potentiale und Heruasforderungen der Kinder- und Jugendarbeit (Kopie 2)

Der Begriff „Sozialraum“ wird sehr breit benutzt

In vielen Bereichen der Sozialen Arbeit und auch in der Kinder- und Jugendarbeit findet man eine zwiespältige Situation im Umgang mit dem Begriff Sozialraum oder Sozialraumorientierung: Der Begriff wird in Konzepten, Projektanträgen und anderen Texten relativ oft genutzt und ist sozusagen in die fachliche Umgangssprache eingedrungen, gleichzeitig scheint es aber wenig Orientierung hinsichtlich dieses Begriffes zu geben, gerade wenn man sieht, wie unterschiedlich er genutzt wird. Bei einem Besuch einer Jugendeinrichtung und der Frage nach ihrer sozialräumlichen Orientierung sagte man mir, dass man mit der Schule nebenan kooperiere! Ich war etwas verdutzt über diese Antwort, aber mir war dann schnell klar, dass sozialräumliche Kooperation und Vernetzung zwischen Institutionen ein wesentlicher Aspekt ist, der in der Praxis auch oft unter Sozialraumorientierung verstanden wird.

Auch in der Theoriediskussion, in den unterschiedlichen Ansätzen sozialräumlicher Forschung, findet man durchaus ein breites Spektrum unterschiedlicher Definitionen, je nachdem welche Forschungstradition im Hintergrund und welche forschungspraktischen Bezüge im Vordergrund stehen.

Der Begriff Sozialraum wird oft verbunden mit einem sozialgeographischen Raum, den man in Städten in der Regel als Stadtteil, als Viertel, Quartier usw. bezeichnet oder im ländlichen Raum/im regionalen Raum als Dorf, Kleinstadt etc. Insbesondere die Jugendhilfeplanung oder die Sozialplanung benutzt heute für ihre vielfältigen Aufgaben als Grundlage eine sozialräumliche Gliederung ihrer jeweiligen Gebietskörperschaft. So werden z. B. die Stadtteile einer größeren Stadt oft als Sozialräume definiert. Dahinter liegt die Vorstellung, dass Gebiete wie beispielsweise einzelne Stadtteile über (sozial-) strukturelle Merkmale verfügen, die z. B. für Planungsaufgaben relevant sind. Dabei geht es insbesondere um die Siedlungs- und die Bevölkerungsstruktur, um soziale Belastungen etc. (vgl. Klein 2009).
Demgegenüber wird der Begriff Sozialraum aber auch als individuelle Lebenswelt begriffen, wenn man sich z.B. in der Mobilen Jugendarbeit mit einzelnen Gruppen beschäftigt, diese an ihren Aufenthaltsorten aufsucht und Kontakte aufnimmt. In dieser sozialräumlichen Betrachtung stehen dann Begriffe wie „Raumaneignung“ oder „Aneignungsräume“ im Vordergrund (s.u.) und sie spielen für die Kinder- und Jugendarbeit eine wichtige Rolle.

Um sozialräumliche Qualitäten und Herausforderungen für die Kinder- und Jugendarbeit formulieren zu können werden im Folgenden die Forschungsergebnisse einer größeren empirischen Studie einbezogen: Grundlage ist ein vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MFKJKS NRW) gefördertes Forschungsprojekt zum aktuellen Entwicklungsstand der Offenen Kinder- und Jugendarbeit am Beispiel von vier Kommunen in NRW (Kleinstadt, Landkreis, Mittelstadt und Großstadt), das von der Hochschule Düsseldorf und der dort angesiedelten Forschungsstelle für Sozialraumorientierte Praxisforschung und Entwicklung (FSPE) in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführt wurde.(1) Ergebnisse aus diesem Projekt werden im Folgenden kursiv dargestellt.

Sozialräumliche Qualität der Kinder- und Jugendarbeit:
Infrastruktur, Einrichtungen


Bei den sozialräumlichen Qualitäten der Kinder- und Jugendarbeit denkt man zunächst an die Einrichtungen, d. h. die Infrastruktur, die insbesondere im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) bundesweit als Häuser der Offenen Tür, Jugendfreizeiteinrichtungen etc. sichtbar ist. Die Einrichtungspotenziale der Kinder- und Jugendarbeit können als große Stärke des Feldes gesehen werden, auch wenn ihr Zustand (Gebäude, Räume, Einrichtungen, Ausstattungen) zum Teil nicht mehr auf dem aktuellen Stand oder „überholungsbedürftig“ ist.

In unserer Studie zeigt der Vergleich der vier Kommunen ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher Einrichtungen,  was ihre Größe, Fläche, Anzahl der Räume, personelle Ausstattung etc. angeht. Deutlich wird auch, welche materiellen  Ressourcen die Einrichtungen der OKJA darstellen, bspw.  in Bezug auf ihre Ausstattung. Der Arbeitsbereich ist durch eine große Eigenständigkeit und Kontinuität gekennzeichnet, was z. B. der hohe Anteil der Einrichtungen mit eigenen Gebäuden oder auch die Kontinuität der Fachkräfte zeigt.


Herausforderung: Immobilienbezug, mangelnde Mobilität

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