Wolfgang Grodd: Jugendlicher Stress und das emotionale Gehirn

Stress – was ist das eigentlich?

Stress (lat. stringere „anspannen“) ist ein schwammiger Begriff, da er sowohl die Ursachen, als auch die damit verbundenen Reaktionen zusammenfasst. Ursprünglich bezeichnete Stress das Phänomen einer mechanischen Verformung von festen Körpern unter der Einwirkung physikalische Kräfte in den Materialwissenschaften. Erst in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts führte der Arzt Hans Seyle (1907– 1982) den Stressbegriff in die Medizin ein und bezeichnete damit ganz allgemein die Auswirkungen von Belastungen auf lebende Körper. Heute benutzen wir dieses Wort meistens umgangssprachlich, um Bedrohungen und Herausforderungen (»Er stand sehr stark unter Stress«), aber auch um unsere Reaktionen zu beschreiben (»Er hat akuten Stress empfunden«). Stress ist also ein Prozess, durch den wir Bedrohungen und Herausforderungen aus der Umwelt bewerten und bewältigen. 

Zu Stress kommt es weniger durch die Ereignisse selbst, sondern eher durch die Art und Weise, wie wir sie bewerten4. Der eine überhört knarrende Geräusche, wenn er allein zu Hause ist, und empfindet keinen Stress; ein anderer vermutet dahinter einen Einbrecher und gerät in einen Alarmzustand. Eine Person sieht eine neue berufliche Position als eine willkommene Herausforderung; eine andere sieht darin eher die Möglichkeit des Scheiterns. Wenn Stressoren nur kurz wirken oder als Herausforderung empfunden werden, können sie sich positiv auswirken.

Ein momentaner Stress kann das Immunsystem in Gang setzen, um Infektionen abzuwehren und Wunden zu heilen. Stress erregt uns und motiviert uns, Schwierigkeiten zu überwinden. Hochleistungssportler, erfolgreiche Entertainer, große Lehrer und Führungspersönlichkeiten blühen unter Stress geradezu auf und sind gerade dann besonders gut, wenn sie gefordert werden. In der Tat kann ein gewisser Stress in der Kindheit oder Jugend später zu emotionaler Widerstandskraft und körperlichem Wachstum führen. Aber starker oder langanhaltender Stress kann sich schädlich auswirken.

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Foto: Siora Photography/Unsplash