Wolfgang Noack: Anschluss gesucht

In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erschien im SPIEGEL ein Artikel über die Konfirmation. Illustriert wurde der Text mit einer Karikatur, in der ein Pfarrer von der Kanzel herab, sich von seinen Konfirmanden (gegendert wurde damals noch nicht) mit den Worten verabschiedete: „Wir sehen uns heute das letzte mal, aber durch die Kirchensteuer sind wir ewig verbunden.“

Viel hat sich seitdem verändert. Die finanzielle Verbundenheit ist nicht mehr garantiert. Aber auch sonst. Aus „Unterricht“  wurde „Arbeit“, nicht mehr gestrenge Theologen, sondern eine große Schar multiprofessioneller Menschen - beruflich und ehrenamtlich - kümmern sich um die jungen Menschen und Luthers Kleiner Katechismus muss auch nicht mehr auswendig gelernt werden (zumindest nicht mehr diese ganzen Zusatzpassagen: Was ist das? Was heißt das? usw.). Die Lebenswelt der Jugendlichen rückte in den Mittelpunkt, aus den wöchentlichen „Konfers“ wurden Wochenende und Camps und wer einmal begeistert dabei war, wollte im nächsten Jahr unbedingt Teamer werden. Konzepte wurden geschrieben, Methoden aus der Jugendarbeit adaptiert, Fortbildungen angeboten - die Religionspädagogik schien die Zeichen der Zeit erkannt zu haben.

Nur mit der anschließenden Jugendarbeit klappte es nicht mehr richtig. Noch einmal ein Griff in das letzte Jahrhundert: Kurz vor der Konfirmandenprüfung ging der „Jugendleiter“ (so hießen die damals noch) mit einer hektographierten Einladung (das war so etwas wie WhatsApp nur auf Papier) in den Konfirmandenunterricht und lud für die Zeit nach Ostern zu einer neuen Jugendgruppe ein. Fast alle kamen. Dass dies heute nicht mehr so funktioniert, hat viele Ursachen.
Seitdem ist von verknüpfen, verbinden, überbrücken, die Ufer wechseln, Anschlüsse schaffen, Übergänge herstellen usw. die Rede. Die Debatte von der Konfi- zur Jugendarbeit und zurück wird je nach Interesse und Herkunft pragmatisch oder ideologisch geführt.

Nach zehn Jahren greift das baugerüst wieder das Thema Konfirmanden- und Jugendarbeit in einem Heft auf (das von 2008 ist vergriffen).
Die Beiträge in dieser Ausgabe beschäftigen sich in erster Linie mit dem Verhältnis von Konfirmanden- und Jugendarbeit. Dabei werden immer wieder fünf Punkte genannt. Der Wunsch sich konfirmieren zu lassen ist zwar nicht mehr selbstverständlich (gerade in den östlichen Bundesländern), aber nach wie vor sehr hoch. Die heutige Konfi-Zeit mit den verschiedenen Erfahrungs- und Erlebniselementen wird überwiegend positiv bewertet. Viele wollen nach der eigenen Konfirmation TeamerIn werden. Bei den Angeboten für Konfirmanden mitzuarbeiten oder Teamer zu begleiten und auszubilden ist ein fester Bestandteil der Arbeit Hauptberuflicher geworden, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Der Gruppe der TeamerInnen längerfristig für die Jugendarbeit zu gewinnen ist zwar der Wunsch, gelingt aber nicht immer.

In dem Gefüge Konfirmandenarbeit und Jugendarbeit sind neben den KonfirmandInnen selbst vier Player bzw. Interessen beteiligt. Die beruflichen MitarbeiterInnen, die Jugendliche für die Angebote der Jugendarbeit gewinnen wollen, die Vorgesetzten der JugendreferentInnen in der Gemeinde und im Dekanat, die diese Beruflichen für die Konfi-Arbeit in die Pflicht nehmen wollen, die Jugendlichen, die von der Teamerarbeit begeistert sind und last but not least, der Jugendverband, der selbstständig agiert und nicht in den Angeboten für Konfis aufgehen (oder sich aufgeben) will. Diese Interessen auszugleichen ist nicht immer konfliktfrei. Die Beiträge in diesem Heft nehmen diese Diskussion auf.

Marcell Saß sieht die beiden kirchlichen Arbeitsbereiche im Spannungsfeld von Institution und Bewegung und Bernd Wildermuth argumentiert in dem standpunkt: „Anders als das Bild von der Verknüpfung, zeigt das Bild der Brücke, dass Konfirmandenarbeit und Jugendarbeit grundsätzlich zwei verschiedene Arbeitsfelder sind und bleiben sollen.“
Die Konfirmandenzeit mit Hilfe der Jugendarbeit interessant, erlebnisreich und mit einem anderen Bild von Kirche zu gestalten, kann also nur eine Seite der Medaille sein. „Freiwilligkeit, Partizipation und Selbstbestimmung, sind eben nicht die Organisationsprinzipien der Konfirmandenarbeit und können es auch nicht sein.“ (Bernd Wildermuth)

Etwas anderes kommt noch hinzu. Von Kirchenleitung - aber nicht nur - wird vom Gesamtkatechumenat gesprochen, wenn die beiden Arbeitsfelder in den Blick genommen werden. Michael Domsgen weitet diesen Blick, wenn er fordert, durch die Konfirmationsgottesdienste (bzw. durch die gesamte Konfirmandenzeit) „kann oft  die ganz andere Lebenswirklichkeit der Jugendlichen in den Blick genommen werden“.  „Kirche muss lernen, dass die Vielfalt, die Menschen mitbringen, sich auch in unseren Gemeinden abbilden muss“. Das kann und muss zu Veränderungen führen.

Jugendarbeit kann beitragen, diesen Blick zu weiten. Das ist mehr als die Mitwirkung bei einer kirchlichen Amtshandlung und mehr als der Versuch, „13 und 14-jährige Mädchen und Jungen bei der „Stange“ zu halten“ (Bernd Wildermuth).
Die Angebote für Jugendliche (und Kinder) bleiben ein eigenständiges Angebot. 

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