Die christliche Hoffnung hat ein Urdatum, die Auferstehung Christi. Man merkt, dass es zur Zeit der neutestamentlichen Erzählungen noch keine zentrale kirchliche Kommission gegeben hat, die die Ostergeschichten geglättet hätte. Sonst wären diese nicht so liebenswürdig bunt und widersprüchlich. Bei Matthäus gibt es ein Erdbeben, ein Engel kommt vom Himmel, dessen Gestalt wie von Blitzen war. Bei Markus kommt der Engel nicht vom Himmel, sondern ein Jüngling in einem weißen Kleid sitzt im Grab und erklärt den entsetzten Frauen die Abwesenheit des Leichnams. Bei Lukas sind es zwei Männer, die kommen und die Auferstehung erklären. Bei Johannes gibt es kein Erdbeben und keine Männer oder Engel. Aber es wird sehr genau berichtet, wo und wie die Tücher lagen, in die Jesu Leichnam gehüllt war. Am meisten verblüfft der ursprüngliche Schluss des Markusevangeliums. Es ist von keinem Osterjubel die Rede. Es heißt: „Sie flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Sie sagten niemanden etwas, denn sie fürchteten sich sehr.“ Kein Wunder, dass es uns gelegentlich geht wie den Aposteln nach dem Bericht der Frauen vom leeren Grab: „Es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht.“
Die Berichte von der Auferweckung Christi sind keine Reportagen. Wir reden in Bildern, wie die Männer und Frauen in Bildern geredet haben, als sie davon erzählten, dass Gott jenen Jesus aus Nazareth und die Sache, für die er stand, nicht der Verwesung überlassen hat. Wir kommen nicht umhin, uns Bilder zu machen von jenem neuen Anfang des Lebens, denn die Hoffnung kommt nicht ohne Bilder aus. Zugleich müssen wir wissen, dass unsere Bilder Bilder sind und wie alle theologischen Aussagen im Bilderverbot gerichtet werden. „Es gilt, alle Aussagen über Gottes neuen Himmel und neue Erde immer wieder hineinfallen zu lassen in die schweigende Unbegreiflichkeit Gottes.“, sagt Karl Rahner.
Auch später versteht sich die Auferstehung für die ersten Zeugen nicht von selbst, sie müssen die Geschehnisse deuten; sie müssen sie glaubend interpretieren. Den Maria Magdalena im Garten sieht – ist es der Gärtner oder der Herr? Maria muss sich entscheiden. Nichts ist offensichtlich. Der mit den Jüngern nach Emmaus geht – ist es der Wildfremde oder der Herr? Der da in der Dämmerung am See Tiberias steht – ist es irgend einer oder ist es der Herr? Handgreiflich ist da nichts. Handgreiflich geht es nur zu in der plumpen Geschichte vom zweifelnden Thomas, der seine Hand in die Wundmale legen kann. Nur bei ihm wird der Glaube durch die Handgreiflichkeit ersetzt. Alle anderen Ostergeschichten sind Geschichten aus dem Morgengrauen. Man muss Christus in die Figuren hineinglauben, in den Gärtner, in den fremden Wanderer, in den Undeutlichen am See. Gott ist höflich und nicht plump. Er überwältigt uns nicht mit Blitz und Donner. Er lässt unserem Glauben etwas zu tun. Er lässt uns Subjekt sein bei der Osternachricht und nicht nur zusammengedonnerte Objekte.
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