Interview mit Erik Flügge: "Kommunikation muss irritieren"

Ein Gespräch mit Erik Flügge, Autor des Buches "Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt."

"Kommunikation muss irritieren.”

Ein Gespräch mit Erik Flügge, Autor des Buches "Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt."

 

baugerüst: „Es hört ja sowieso keiner zu“, schreiben Sie in ihrem Buch „ Der Jargon der Betroffenheit“. Wer hört noch zu?

Flügge: Die Menschen sind selber Produzenten von Kommunikation. Wer dabei heute professionell als Kommunikationsanbieter noch mitspielen will, muss, um gehört zu werden, wesentlich besser werden. Während sich Medien tatsächlich professionalisiert haben, ist das bei Predigten und Verkündigung so nicht eingetreten. Hier ist man noch genauso gut oder genauso schlecht wie vor 40 oder 50 Jahre. Das reicht heute nicht mehr.

baugerüst: Die Rede von den Kanzeln geschehe mit verschrobenen und gefühlsduselnden Wortbildern. Was stimmt nicht an der Kommunikation?

Flügge: Theologinnen und Theologen predigen mit kleinen Geschichten und Anekdoten. Alle wissen um eine historisch kritische Analyse der biblischen Inhalte und nun stehen die Theologen da und sollen die Geschichten trotzdem erzählen. Dann wird von Weihnachten wieder so berichtet, wie es nie stattgefunden hat.

baugerüst: Liegt das an den Predigern oder an den Hörern, die die Geschichten genau so hören wollen?

Flügge: In der evangelischen Kirche besuchen nur fünf Prozent der Gemeindemitglieder die Gottesdienste, bei den Katholiken sind es immerhin noch zehn Prozent. Offensichtlich interessiert sich der überwiegende Teil der Mitglieder der Kirche nicht für das, was dort gesagt wird. Diese fünf Prozent wollen die Predigten so hören, für die anderen ist aber nichts dabei.

baugerüst: Was ist eigentlich schlecht daran, Gefühle zu transportieren?

Flügge: Es ist gar nichts schlecht daran, Gefühle zu transportieren. Gefühle bauen Spannung auf. Peinlich sind die Pseudo-
inszenierungen von Gefühlen, mit so kleinen Geschichten über Spuren im Sand oder mit Tüchern und Kerzen in die Mitte. Es ist der Versuch, ein Gefühl zu erzwingen, wo die Botschaft von sich aus keines erzeugt. Stattdessen sollte man mitteilen, welche eigenen Gefühle bei dem Text, bei der Botschaft entstehen. Also nicht etwas erzwingen, sondern authentisch erzählen, um das Gegenüber dafür zu gewinnen, sich zu mir zu positionieren. Dafür oder dagegen, dann hat man Erfolg.

baugerüst: Kommunikation muss verwundern, irritieren oder erschrecken, um zu jemanden durchzudringen. Hat das nicht auch etwas von Endzeitpropheten?

Flügge: Schauen wir doch mal auf Jesus, wie ging der vor. Der irritierte, der eckte an, der erzürnte die Machthaber, der suchte sich Gegner bis sie ihn totschlugen. Das ist sein Kommunikationsmodus. Dasselbe finden wir auch bei seinen frühen Nachfolgern.
Und heute? Gerade in der evangelischen Kirche merke ich immer wieder, dass Botschaften mehrheitsfähig sein müssen. Es gibt keine Thesen, über die es sich zu streiten lohnt.

baugerüst: Was wäre ein Thema, bei dem Sie Streit vermissen?

Flügge: Zum Beispiel die Flüchtlingsfrage. Hier hat sich Kardinal Marx viel klarer positioniert, auch gegen die CSU, ohne darauf zu achten, dass unbedingt ein Konsens hergestellt werden muss.
Auch Luther war eine Figur, die provozierte und radikalisierte, der beleidigte und um sich schlug. Das Sprachniveau von Martin Luther, würde heute in der evangelischen Kirche allerorts kritisiert werden.

baugerüst: „Einer hat sauer den Raum verlassen. Immerhin hat er ihn mit der Predigt erreicht“, sagen Sie. Genügt das?

Flügge: Erfolgreiche Kommunikation spaltet immer, sie hat immer Anhänger und Ablehner zur Folge. Deutlich lässt sich das bei den evangelikalen Freikirchen mit ihrer „Jesus liebt dich Botschaft“ beobachten. Begeisterte Anhänger aber auch Menschen, die dies voller Überzeugung ablehnen.

baugerüst: Worin sehen sie hier die erfolgreiche Kommunikation?

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