Katrin Juschka: Auf der Suche nach #BFF #BestFriendsForever und einer biblischen Theologie der Freundschaft

Gemessen an der Bedeutung, die Freundschaft in jeder Lebensphase für das Glück und die Zufriedenheit von Menschen hat, ist es überraschend, dass sich in der Bibel keine ausgeprägte Theologie oder Ethik der Freundschaft finden lässt – wohingegen sie eine zentrale Frage in der antiken Philosophie ist. Erst in den späten Bibelschriften kommt die Thematik theologisch reflektiert auf. Die biblische Sprache hat daher im Hebräischen kein spezielles Wort, das mit „Freundschaft“ vergleichbar wäre. Es gibt eine Fülle von Bezeichnungen mit unterschiedlichen Bedeutungen, die überwiegend von Freund:innen als „Nächsten/ Mitmenschen“ sprechen und bis hin zu selteneren „Geliebten/Vertrauten“ reichen. Anders in der Zeit des sogenannten Neuen Testaments: Der griechische Begriff nahm wesentlichen Einfluss auf Freundschaftskonzepte und auf heutige Sprachwendungen: Wer sich als „bibliophil“ bezeichnet, bringt eine Bücherfreundschaft zum Ausdruck; Frankophile verbindet eine Freundschaft zu Frankreich; Philosophie, Philologie, Philatelie etc. sind eingedeutschte Fachbegriffe.

Familienbindung vs. die Freiheit, selbst Freundschaften zu wählen

In den ältesten Teilen der Bibel wird kein großer Schwerpunkt auf Freundschaften gelegt. Sicherlich: David und Jonatan oder Hiob und seine Freunde sind herausragende, allerdings seltene Beispiele – denn die theologischen Grundlagen bilden die Familiengeschichten der Erzeltern, die Solidarität zur Verwandtschaft betonen. Erst in späterer Zeit durch den Einfluss der hellenistischen Kultur werden Freundschaften explizit reflektiert, z.B. schon vereinzelt in Sprichw rtern (z.B. Spr 18,24) und vor allem in der Spätschrift „Ben Sira“. Grund dafür ist der Einfluss der hellenistischen Kultur und ein sich wandelndes Denken über zwischenmenschliche Beziehungen: Freundschaften wurden wichtiger (vgl. Fischer zur folgenden Aufzählung), weil 1. durch ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum finanzielle Karrieren schneller möglich waren, aber auch mit dem Risiko für radikalen sozialen Abstieg enger zusammenrückten. 2. Das Leben in schnell wachsenden Großstädten konnte das Gefühl von Einsamkeit entstehen lassen. 3. Die für die hellenistische Epoche charakteristische zunehmende Individualisierung hatte einen gro en Einfluss auf die Wahl persönlicher Lebensentscheidungen. Individuelle Wahlfreiheiten zum Lebensstil bilden sich fortan in den Bibelbüchern ab – und dazu gehört die Freiheit, sich selbst Freundschaften au erhalb von Familie, Dorf oder Volks- Verbund auszuw hlen. Nicht wenige Bibelverse sprechen neben der Lebensbereicherung durch Freundschaften ebenfalls Enttäuschungen an, weswegen sich zahlreiche Mahnungen vor z.B. vorschnellem Vertrauen in „falsche“ Freundschaften finden.

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