Onna Buchholt / Olga Janzen: Jugendverbandsarbeit rassismuskritisch denken

Eine Studie zu islam- und muslim*innenfeindlichen Einstellungen in der Evangelischen Jugend

 

2021 hat die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej) im Rahmen ihrer Trägerschaft im Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit eine groß angelegte Studie zur Verbreitung abwertender Einstellungen gegenüber Muslim*innen unter jungen Menschen durchgeführt. Die Studie sollte eine empirische Basis für die Fortentwicklung des jugendverbandlichen Engagements gegen islam- und muslim*innenfeindliche Einstellungen liefern.

Die Beteiligung am Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit entstand vor dem Hintergrund des jahrzehntelangen Einsatzes der aej für eine gerechtere Jugendverbandslandschaft sowie die angemessene Repräsentation von muslimischen Jugendlichen in deren Strukturen. Im Anschluss an mehrere Kooperationsprojekte mit muslimischen Jugendverbänden wurde die aej 2019 Mitglied im Netzwerk von CLAIM, der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, und gründete im Folgejahr zusammen mit diesem und dem weiteren Partner ZEOK, dem Zentrum für europäische und orientalische Kultur, das „Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit“ als Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Seit 2022 ist auch der Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf e. V.) als vierter Partner im Kompetenznetzwerk vertreten. Die Trägerschaft der aej beruht auf einer Kooperation mit der Muslimischen Jugend in Deutschland e. V. (MJD), dem Muslimischen Jugendwerk (MJW) sowie der Koptischen Jugend (KJ), die jeweils mit einer vollen Stelle am Projekt beteiligt sind.

Die wichtigsten Aufgaben des Kompetenznetzwerks bestehen in der Bereitstellung von Expertise zu Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus, des Transfers von rassismuskritischen Standards in die Wirkungsfelder der beteiligten Partner sowie der Verbesserung der Datenlage zur spezifischen Diskriminierungsform. Mit der Umsetzung der Studie „Perspektiven auf Demokratie, Religion und Islamdebatte“ hat die aej in Zusammenarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (SI EKD) nun erstmals Daten für die Verbreitung islamfeindlicher Einstellungen unter jungen Menschen in den Reihen der aej erhoben. Zusätzlich wurde eine repräsentative Befragung für die gleiche Altersgruppe in Gesamtdeutschland durchgeführt. Der Fokus im vorliegenden Text liegt auf den Ergebnissen der aej-Stichprobe. Themen der Befragung waren Vorurteile gegenüber Muslim*innen und auch gegenüber anderen Minderheiten, die gelebte Religiosität, Aktivitäten in der Freizeit – insbesondere Aktivitäten in Jugendverbandsstrukturen der aej – sowie Einstellungen zur Demokratie und autoritäre Einstellungen.

Eine Befragung unter den Mitgliedern der aej

„Antisemitisch, Islamismus, gefährlich, frauenfeindlich, undemokratisch“, „Meine beste Freundin“, „Erleben viel zu viel Ausgrenzung und Rassismus“, das sind nur drei Beispiele von Antworten auf die Frage „Wenn Sie an die in Deutschland lebenden Muslime denken: Woran denken Sie dann vor allem? Was fällt Ihnen spontan dazu ein?“. Diese Fragen standen zu Beginn des Online-Fragebogens einer großen Befragung in den Reihen der aej im Frühjahr 2021, die unter 14- bis 29-Jährigen durchgeführt worden ist. Die Verbreitung des Online-Fragebogens erfolgte über alle zur Verfügung stehenden Kanäle der aej, wie E-Mail-Verteiler und Social Media. Angesprochen waren alle jungen Menschen, die sich in einem der Mitgliedsverbände der Evangelischen Jugend engagieren oder an dessen Angeboten teilnehmen – 1.557 Personen füllten den Fragebogen aus.

Der erste Einblick in die Assoziationen zu Muslim*innen in Deutschland zeigt bereits einen wichtigen Aspekt auf: Vorurteile sind in der Evangelischen Jugend präsent. Das spiegelt sich auch in den weiteren Analysen wieder. Fünf Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu „Muslime bedrohen unsere Freiheiten und Rechte.“, 24 Prozent befürworten die Aussage „Muslimische Frauen werden unterdrückt.“. Auch wenn diese Vorurteile in den Reihen der aej weniger Zustimmung erfahren als im Durchschnitt der jungen Menschen in Deutschland und auch wenn junge Menschen im Vergleich zu älteren insgesamt weniger vorurteilsbehaftet sind, so muss sich auch die aej mit abwertenden Einstellungen gegenüber Muslim*innen auseinandersetzen (Janzen et al. 2022).

Kontakt spielt eine Rolle. Vor allem Kontakte bei Freizeitaktivitäten und unter Freund*innen gehen mit weniger abwertenden Einstellungen einher. Dieser Befund ist vor dem Hintergrund der Kontaktforschung nicht überraschend, da einige Kriterien erfüllt werden, die vorurteilsreduzierend wirken (z. B. soziale Ähnlichkeit der beteiligten Personen, die Verfolgung gleicher Ziele und kooperatives Verhalten). Die Studie zeigt aber auch einen deutlichen Effekt von Kontakt bei Social Media, dem dadurch ein hohes Potential zugesprochen werden kann. Potential zeigen auch Moscheebesuche auf. Knapp über die Hälfte der Befragten haben schon einmal eine Moschee besucht und weisen im Vergleich zu denjenigen, die noch nie eine Moschee betreten haben, weniger Vorurteile auf.

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