Torsten Pappert: Mehr Beteiligungskultur!

Die Evangelische Jugend Hannover braucht eine neue Internetpräsenz. Stadtjugenddienst und die Jugendkirche sollen auf der Website auch zu finden sein. „Jung und frisch“ soll die Homepage werden. Ein Hingucker. Der erste Anlauf: Agentur. Kick-Off, um erste Leitlinien festzulegen. Den beteiligten Ehrenamtlichen ist die Gestaltung besonders wichtig, den beruflich Tätigen eine große Transparenz ihrer Arbeit. Die Agentur stellt einen ersten Entwurf vor. Die aktiven Ehrenamtlichen aus der Jugendarbeit sind entsetzt: Die Seite, so ihr Eindruck, bediene eine innerkirchliche Öffentlichkeit in Entscheidungsgremien, wirkt wie ein Arbeitsnachweis für die Beruflichen. Sie selber fühlen sich und ihr kirchliches Engagement schlecht repräsentiert, Freunde würden sie darauf nicht hinweisen wollen. Nach einem Eklat nehmen sie die Seite selbst in die Hand.

Szenenwechsel. Der Stadtjugendkonvent bei der Finanzsitzung. Listen mit Anträgen auf Pasuschalmittel. Eine Kirchengemeinde hat einen Zuschuss für die Renovierung des Jugendkellers beantragt. Es wird kontrovers. Eine Ehrenamtliche aus dem Finanzausschuss weiß, dass Baumaßnahmen nicht „förderungsfähig“ seien. Ein Delegierter aus der Nachbargemeinde schlägt vor, das trotzdem durchzuwinken, weil hier engagierte Jugendliche etwas machen wollen und das unterstützt werden solle. Die gute Hälfte der Anwesenden beteiligt sich nicht. Einige sind da, weil Anträge nur besprochen werden, wenn eine Delegierte aus der entsprechenden Gemeinde beim Finanzkonvent anwesend ist. Einige sollen im Rahmen ihrer Juleica-Schulung kennen lernen, dass Jugendarbeit auch Gremienarbeit ist. Sie wirken fast deplatziert neben den „Alten“ und „Erfahrenen“. Am Ende wird der Antrag auf Renovierungsmittel aus formalen Gründen abgelehnt.

Zwei Beispiele zwischen Gremien und Leben der Evang. Jugend einer westdeutschen Großstadt. Sie zeigen etwas Symptomatisches für die kirchliche Jugendverbandsarbeit und die Gesellschaft überhaupt.

Formale Beteiligung – nahezu flächendeckend – krisenhaft

Das betrifft den Nachwuchs für Gremien, Kirchenvorstände, Wahlen, Verbände, Parteien. Es ist schwierig geworden für Systeme, die voraussetzen, dass man sich an die Gepflogenheiten und Regeln, an die Systemkultur anzupassen hat.

Auf der anderen Seite boomt nahezu jede Art informeller Beteiligung: Foren, Campact, Community-Posts, diskussions- und aktionsförmige Beteiligungsformate. Mit den Piraten funkte das sogar mal (kurz) als politisches Projekt auf: Beteiligung an Diskussions- und Entscheidungsprozessen ohne jahrelanges Parteisoldatentum.

In der Evangelischen Jugend zeigt die Lage ein gemischtes Bild. Da gibt es Gegenden mit funktionierenden Gremien im Jugendverband, aber ohne nennenswerte Jugendarbeit durch den Verband. Und dann gibt es auch Aktivposten, wo immer etwas los ist und vielfältig junge Menschen Kirche gestalten, dafür laufen die Gremien nicht. Dann gibt es auch noch beides – in fast geisterhafter Koexistenz: Ich tu dir nichts, solange du mich in Ruhe lässt. Und schließlich gibt es Orte, an denen beides nicht nur nebeneinander, sondern auch ineinander übergeht. Es scheint Bedingungen für das Gelingen zu geben. Darauf werde ich zurückkommen.
 

......

Weiterlesen im Heft 2/16